Vierzehnter Brief
Reinhold an Olivier

[41] Ob Deine Drohung mich abgehalten haben würde? weiß ich nicht; aber leider ist mir der Urlaub versagt.

Ich hoffe, es war nur Übereilung. Du wirst Dich nicht ganz der Leidenschaft hingegeben,[41] Du wirst Dir gestanden haben, daß alles, was Du von Ehre vorbrachtest, nur aus dem Bedürfniß entstand, Dich wenigstens scheinbar zu rechtfertigen.

Aber gut, ich nehme an: Du habest das Alles wirklich geglaubt; aber jetzt? – Ich bitte Dich! erspare die Reue und kehre zurück, weil es noch Zeit ist.

Gewiß ich kann von meinem Leben nicht überzeugter, als Du von der Nichtigkeit Deiner Besorgnisse seyn. Doch gesetzt, sie hätten irgend einen Grund; offenbarst Du dann Deine Schande nicht selbst, zeigst Du nicht, daß Du nur der Gewalt Deine sogenannte Ehre verdankst?[42]

Welch eine geringe Meinung Deines Werthes! welch eine überwältigende Furcht: Du mögtest das Schlimmste verdient haben! – In der That, ich zweifle, ob Dich irgend jemand wegen eines auf diese Weise erhaltenen Gutes beneiden, und den Mann ohne Furcht in Dir erkennen wird.

Ich bitte Dich! nichts Kleinliches! nichts mehr was Deiner unwürdig ist. –


Nachschrift

Ich kann mich der Frage nicht erwehren: wie möchte es wohl gegangen seyn, wenn Du Julien nicht befohlen hättest krank zu werden? – Vielleicht wäre das Bekenntniß der Liebe[43] noch jetzt, noch in vielen Jahren, wahrscheinlich niemals über Antonelli's Lippen gekommen.

Willst Du; so wird es, trotz allem was geschehen ist, auch jetzt noch unwirksam. – Ich bitte Dich! wolle es! Du mögtest sonst mehr zu bereuen haben, als Du glaubst.[44]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 41-45.
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