Zwey und zwanzigster Brief
Olivier an Reinhold

[69] Jetzt wollte ich Du wärest hier, Du könntest mir rathen. Begreife meine Angst! ihr ist nicht wohl. Ich habe mir den Fall niemals gedacht. Ihre blühende Gesundheit machte mich sicher.

Sie klagt nicht, läugnet wenn ich frage; aber der Augenschein straft sie Lügen.

Ach ist es ein Wunder! Seit vier Wochen hat sie keinen Athemzug frische Luft geschöpft.[69] O, ich Grausamer! Wie war es möglich! – Wenn es zu spät wäre, wenn sie krank würde. – Nein! nein! dahin kommt es nicht. Aber schnell muß man helfen. Helfen? – Wie, o mein Gott! – Soll ich sie ihm in die Arme führen? – Nichts! nichts! Keine weibische Schwäche! Er muß fort. Jetzt gleich, jetzt augenblicklich soll Anstalt gemacht werden.[70]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 69-71.
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