Sechs und zwanzigster Brief
Wilhelmine an Julie

[87] Liebenswürdig? – Hm! nicht übel. Nun ja, mit dieser Kleinigkeit sind die Männer so ganz leidlich zufrieden. Freilich gehört dazu eine andre Kleinigkeit: die unverwelkliche Schönheit und Jugend. Unglücklicher Weise, hat es meiner theuern Freundin nicht beliebt, anzuzeigen, wie man sich diese Kleinigkeit erhalten, oder, wenn man sie nicht hat, die Götter zwingen kann, sie zu verleihen.

Ja! ja! wer kann an alles denken? –[87] Ihr unglücklichen Geschöpfe, die ihr weder das Eine noch das Andre habt, verzweifelt nur. Mag eure Zahl Legion heißen, ihr seyd zum Elende gebohren.

Vormals standet ihr noch in dem tröstlichen Wahne, ihr könntet den Männern durch Tugend ersetzen, was die Natur euch an Schönheit versagt hatte; aber jetzt! – euer Urtheil ist gesprochen! So wie eure Schönheit verwelkt, hört ihr auf Weiber zu seyn. Dann sterben die Blumen; aber euch zwingt die Natur zum martervollen Leben. Leitet nur den herabfahrenden Blitz zu euren Herzen. Oder, wenn er mit der Natur im tückischen Bunde, euch nicht treffen will, suchet nur in den Fluthen[88] euer Grab. Die beste Welt bleibt dennoch die beste.

Leb wohl! Du hast mich erbittert. Ich glaube gar, ich kann aufhören Dich zu lieben. Du bist zu unsern Feinden, zu den Männern übergegangen, und fängst an, eben so methodisch zu .... pfuy! das war häßlich.

Ach! da kommt mir ein glücklicher Gedanke! Künftig werde ich statt häßlich, immer männlich setzen. Nicht wahr? es ist eben so gleichbedeutend, wie schön und weiblich. Komisch wäre es, wenn das Häßlichste immer das Männlichste wäre. –

Was meinst Du dazu?[89]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 2, Posen und Leipzig 1802, S. 87-90.
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