Vierzehntes Kapitel.

Lügen.

[30] Indessen erwartete ihn die Gräfin mit äußerster Ungeduld. Sie hatte sich die ganze Nacht mit ihm beschäftigt, und er war glücklicher, als er meinen konnte. Aber er kam nicht, und ihre Unruhe stieg auf's höchste. Durch Zufall erfuhr sie endlich, daß er bei der Oberstin gewesen wäre, und alle Qualen der Eifersucht wachten in ihrem Heizen auf.

Sie hatte den Tag einsam und traurig in ihrem Cabinete zugebracht, als endlich der Baron gegen Abend hereintrat. So groß ihre Freude war, wußte sie sich dennoch zu verstellen, und empfing ihn mit äußerster Kälte. Er bemerkte es; nicht sein Herz, aber seine Eitelkeit war beleidigt, und er drang in sie, sich näher zu erklären.

Sie fieng mit einer Menge Vorwürfe an, die er nicht verdiente, und sprach dann gleichsam im Vorbeigehen von seinem Besuche bei der Oberstin. – Aber meine Gnädige! sagte der Baron,[30] der sie recht gut verstand, je ne fais, que vous obéir. – Ah le traitre, gab sie zur Antwort: ich sehe es wohl, ich habe Ihnen nach Ihrem Herzen gerathen. Ich habe sie nur verhindert, eine Untreue zu begehen. – Sie wendete sich ab, und schien ihre Thränen verbergen zu wollen.

Meine Gnädige! sagte der Baron mit Feinheit, der kleinste Schimmer von Hoffnung wird mir den Muth geben, meinen Fehler gut zu machen.

Er log, aber er fürchtete, sich zu verrathen. Vielleicht war er straffällig, aber verdiente er keine Entschuldigung? Die Gräfin war ihm gleichgültig; er hatte die Rolle des Liebhabers aus Gefälligkeit übernommen; er war abgewiesen worden. Wußte er, warum sie setzt zärtlicher schien? Wäre es nicht unvorsichtig gewesen, ihr sein Geheimniß zu entdecken?

Wie dem auch sei, er erreichte seinen Zweck. Die Eitelkeit, die Liebe der Gräfin überredete sie leicht von seiner Aufrichtigkeit; sie war entzückt, ihn zurückkommen zu sehen, und sie eilte ihm auf halbem Wege entgegen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 30-31.
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