Fünfzehntes Kapitel.

Betrachtungen.

[31] Es lebe die Täuschung! Alles Glück besteht in der Meinung. Ich glaube geliebt zu sein, und ich bin so glücklich, als ob ich es wäre.

Das war der Fall des Grafen und seiner Gemahlin. Er schmeichelte sich, das Herz der Oberstin zu besitzen; Sie triumphirte, den Baron gefesselt zu haben. Beide wurden betrogen; aber beide waren nichts desto weniger glücklich.

Der Baron und die Oberstin waren die einzigen, die sich liebten. Sie sahen sich im Geheim; sie gaben sich tausend Beweise davon; aber ihr öffentliches Betragen verrieth die äußerste Gleichgültigkeit. Die Oberstin fuhr fort, den Grafen mit Schonung, selbst mit anscheinender Zärtlichkeit zu behandeln, und der Baron wußte die Gräfin auf das anziehendste zu entschädigen. Der Graf war entzückt; die Gräfin sah der süßesten Rache entgegen. Alle Theile waren zufrieden; alle hofften ihrem Ziele näher zu kommen. Es lebe die Täuschung!

Aber alles ist Wechsel; alles ist Veränderung in der Welt. Der Graf erfuhr durch Zufall, daß der Baron eine Nacht bei der Oberstin[32] zugebracht habe, und gerieth in Verzweiflung. – Ich bin verrathen! rief er: ich muß mich überzeugen! – und seine Maßregeln waren genommen.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 31-33.
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