Dreyzehntes Capitel.

Was war denn das?

[32] Jetzt erfuhr ich das erste Mal, was es heißt, einander gegenüber sitzen. Will man wohl oder übel, man muß einander ansehen, oder die Augen niederschlagen, und beydes ist verdächtig. Laßt das nun vollends in einer Kutsche[32] seyn, wo es alle Minuten ein Paar Stöße giebt, daß euch die Köpse zusammen fliegen. – Ich wette, es geht euch wie mir, und ihr findet euch zehnmal in einer Stunde auf den Achseln oder dem Busen eurer gegenüber sitzenden Nachbarin.

Lorchen schien diese Besuche nicht übel zu nehmen, aber meine Nase kam schlecht dabey weg. Sie wurde so heftig gestoßen, daß sie endlich zu bluten anfing. Kaum sah es Lorchen, so gab sie mir einen kleinen Schwamm mit Weinessig und hielt mir den Kopf zum Schlage hinaus. Ihre Hand streichelte mich sanft unter dem Kinn, aber es war mir gerade, als ob es der Kater thäte.

Wir waren erst um ein Uhr weggefahren es wurde daher dunkel, ehe wir in das Nacht lager kamen. Die gnädige Frau war eingeschlafen, und Lorchen sprach in einsylbigen Worten mit mir, als der Wagen auf einmal[33] umwarf. Die gnädige Frau fiel zu unterst; Lorchen auf sie, und ich auf Lorchen. Der Kater sprang zum Fenster hinaus, und der Schwanz des Mopses kam mir gerade in den Mund. Lorchens Röcke hatten sich bey diesem Falle so verschoben, daß ich wohl sahe, sie habe keinen Schwär, aber das Uebrige war nichts neues für mich.

So lagen wir denn über und unter einander. Die gnädige Frau hustend, Lorchen gickernd, ich schreyend, der Mops bellend, als endlich der Knecht die andere Thüre aufmachte, und uns nach einander herauszog. Lorchen heftelte an ihren Röcken; die gnädige Frau arbeitete sich aus ihren Mänteln und Pelzen heraus und sagte einmal über das andere: »Ih Lorchen, was war denn das?« – Der Mops war da, aber der Kater nirgends zu sehen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 32-34.
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