Sechstes Capitel.

Die Execution.

[15] Einige Tage vergingen, ohne daß mir meine Stiefmutter das Geringste sagte. Es kam mir vor, als ob es ihr leid thäte, mich so gemißhandelt zu haben, und ich vergab es ihr von ganzem Herzen.[15]

Gleich darauf fiel ein Jahrmarkt in G– ein, und mein Vater mußte Geschäfte halber hinüber gehen. Meine Stiefmutter that außerordentlich freundlich, und ich war seelenvergnügt. Gegen Abend kam der Feldscheer und die Mutter behielt ihn zum Essen. Als wir abgegessen hatten, wollte ich wieder in den Laden gehen. – »Mache nur gar zu« – sagte die Mutter, – »es wird heute niemand mehr kommen, 's ist nicht der Mühe werth, so viel Licht zu verbrennen.«

Als ich wieder hinein kam, war meine Mutter im Alkoven. – »Komm doch einmal her, Hannchen,« – sagte sie, – »ich kann meine Pantoffeln nicht finden.« – Ich flog hinzu, aber in dem Augenblick faßte sie mich an, warf mich mit dem Gesichte auf das Bette und drückte mich so fest nieder, daß ich zu ersticken dachte. Sogleich kam der Feldscheer, deckte mich auf, und hieb mit einer großen Ruthe[16] unbarmherzig auf mich zu. Sie munterte ihu auf und wollte vor Lachen bersten. – »Da Carnalie« – schrie sie – »da! Nun sag's dem Vater noch einmal wieder! hörst du!« – und der Scharfrichter ließ nicht eher nach, bis er müde war. Ich sank ohnmächtig zu Boden, und das Blut lies an meinen Strümpfen herunter. Aber die Furie goß mir ein Glas Wasser ins Gesicht, und trieb mich mit Fußstößen zur Thöre hinaus.

Weinend schleppte ich mich in mein Kämmerchen, aber Schmerz und Jammer ließen mich kein Auge zuthun. Ich war außer mir, ich hätte den Augenblick sterben mögen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 15-17.
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