Vierzehntes Capitel.

Maaßregeln.

[235] »Aber, lieber Gustel!« – sagte der Junker, als wir endlich allein waren – »Jetzt laß uns einmal vernünftig über die Sache sprechen.« –

»Ach gnädiger Herr! Ich wollte alles darum geben wenn« –

»Um mich laß dir nicht bange seyn! – 'S ist nur, wenn er bleiben sollte.« –

»Also auf Tod und Leben wollen Sie fechten?« –

»Da ist kein anderer Rath! – Er oder ich! – Einer von beyden!« –[236]

»Ach Gott! das ist erschrecklich!« – rief ich in heftiger Bewegung.

»Was hilfts! – Der Ruf des Fräuleins muß gerettet werden. – Aber was ich sagen wollte, man muß seine Maaßregeln nehmen.« –

»O mein bester gnädiger Herr! Sie werden gewiß« –

»Ich hoffe es. Doch auf jeden Fall – komm her. Ich will dir zwey Dinge sagen: Bleib ich, so behältst du den Ring und den Beutel; bleibt Er, so muß ich flüchten, und du behältst ihn ebenfalls.«

»Flüchten? – Ach Gott! Und ich soll hier bleiben?«

»Ja, es hilft nichts! Die Gesetze sind streng! – Bis ich Pardon habe, muß ich über die Grenze. Unterdessen« –

»Werde ich sterben!« –[237]

»Alberner Junge! Ich lasse dir ja den Ring und den Beutel! Es sind ja zwanzig Dukaten darin! Und ehe die alle werden – Ih so schäme dich, und laß das Weinen!« –

»Aber warum kann ich Sie denn nicht begleiten?« –

»Weil es unmöglich ist, dich mitzunehmen. – Mache mir das Herz nicht weich – Ich bitte dich – Glaubst du denn, daß es mir gleichgültig ist? – O Gott! wenn Auguste nicht wäre!« – Er ging unruhig auf und ab; ich sahe seine Thränen fließen, und glaubte vor Wehmuth zu sterben. –

»Komm Gustel!« – sagte er endlich, und ermannte sich – »Wir wollen die Sache vollends abreden. Morgen um neun Uhr nehmen wir einen Wagen und den Chirurgus. – Du und Heinrich« – so hieß der Reitknecht – »Ihr reitet mit den zwey Pferden nach.[238] Wenn wir ankommen, will ich euch schon sagen, wo ihr bleiben sollt.« –

»Ach Gott! über das Unglück!« – seufzte ich, und rang die Hände.

»Sey ruhig! – Ich sage es noch einmal. – Bleibe ich, so legt ihr mich in den Wagen, und Heinrich sprengt voran; bleibt er, so nehme ich den Engländer, und über die Grenze. Du fährst in die Stadt zurück, und erzählst es dem Hauptmann. Was du brauchst, das zehrst du indessen von dem Gelde, und wenn das nicht zureicht, verkaufst du den Ring, er ist achtzig Thaler werth.«

»Und Fräulein Auguste« – fragte ich gerührt, denn ich beurtheilte sie nach meinem Herzen.

»Ich werde dir's noch sagen.« Er brach ab, und ging schweigend im Zimmer herum. – »Aber gute Nacht!« – sagte er plötzlich – »Es ist spät! Wir wollen schlafen gehn!«

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 235-239.
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