Siebzehntes Capitel.

In den Garten.

[246] Wir kamen an; es war ein Haus mitten im Walde. – »Ist's hier?« – sagte ich ängstlich zu Heinrich. – »Ja, das ist der rothe Hahn!« – gab er zur Antwort – »und von hier sind noch anderthalb Stunden an die Grenze!« – Seufzend stieg ich ab, und fand die ganze Gesellschaft in der Stube beysammen.

Der Kammerherr sah blaß wie eine Leiche, und seine Begleiter bemühten sich, ihn trinken zu lassen. Der Junker nahm mit seinen[246] Freunden eine kleine Collation ein, und ich stand hinter ihm.

»Es ist eilf Uhr!« – sagte er endlich – »In einer halben Stunde denke ich!« – Der Kammerherr hatte einige Flaschen getrunken, und schien Muth zu bekommen. So still er vorher gewesen war, so unternehmend wurde er nunmehr. – »Sie thun sehr wohl daran,« – sagte er – »sich noch einmal satt zu essen! – Sie möchten eine lange Reise zu machen haben!« –

»Aus der nämlichen Vorsicht haben Sie wahrscheinlich auch noch einmal getrunken!« – erwiederte der Junker gelassen.

Die Sekundanten riefen den Kammerherrn in ein anderes Fenster, um einen neuen Streit zu verhüten; aber man hörte an ihrem Gelächter, daß sie sich über den Junker lustig machten.

Dieser blieb indessen völlig gelassen, aber meine Angst nahm mit jeder Minute zu. – »Wenn es den Herren gefällig ist?« – sagte endlich der dicke Herr von X– mit ironischem[247] Lächeln. – »Wir waren schon lange fertig!« – antwortete der Bruder des Fräuleins – »Aber Sie wissen, wem die Einladung zukommt.«

In dem Augenblicke waren alle Degen gezogen. – »In den Garten! In den Garten!« – riefen einige Stimmen, und ich folgte mit wankenden Schritten.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 246-248.
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