Neunzehntes Capitel.

Ach Gott!

[250] Ich trat in unser Zimmer – Der Hauptmann erschrak. – »Wo ist dein Herr?« – fragte er unruhig – »Ich weiß alles! – Aber wer ist geblieben?« – »Der Kammerherr!« – gab ich traurig zur Antwort.

»Und der Junker hat sich geflüchtet?« –

»Augenblicklich, bis er Pardon« –

»Pardon? – Da ist nicht dran zu denken. Ja, wenn er nicht geblieben wäre! – Und der Vetter des Ministers!« –

»Ach Gott!« – rief ich unwillkührlich, und glaubte mein Todesurtheil gehört zu haben.

»Ich kann nichts für ihn thun, und niemand. – Hat er Geld bey sich?« – Ich sagte es ihm.

»Wo will er bleiben?«[251]

»Auf dem ersten Dorfe im ***schen.«

In dem Augenblicke wurde er abgerufen, und mehrere Bekannte meines Herrn kamen, sich nach ihm zu erkundigen. Ich erzählte mit weinenden Augen, und alle bestätigten, was der Hauptmann gesagt hatte.

Indessen verbreitete sich das Gerücht in der ganzen Residenz, und man schickte Dragoner ab, meinen Herrn einzuholen. So unnütz diese Maaßregeln schienen, wurden sie doch der Formalität halber genommen. Der Leichnam des Kammerherrn passirte vor unserm Hause vorbey, und bald nachher erschienen Gerichtspersonen, um unsere Zimmer zu versiegeln.

Ich hatte meinen kleinen Schatz in Sicherheit gebracht. – »Es gehört meinem Freunde!« – dachte ich, und mein Entschluß war gefaßt. Ich machte aus meinen besten Sachen ein Päcktchen, steckte noch einiges ersparte Geld zu mir, und verließ das Haus in der Dämmerung, ohne bemerkt zu werden.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 250-252.
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