Neuntes Capitel.

Mamsell Jettchen.

[218] Der Junker war zu Gaste, ich hatte lesen wollen, war aber eingeschlafen. Auf einmal höre ich eine bekannte Stimme; ich öffne die Thür, es war Jettchen. – »Guten Abend! Guten Abend!« – sagte sie zutraulich, und küßte mich. – »Guten Abend!« – erwiederte ich langsam – »Was bringen Sie denn, Mamsell Jettchen?« –

»Ih da hört' ich, daß der Junker nicht zu Hause ist, und da fiel mir's ein, ein bischen herzukommen.« –

»Wo haben Sie denn das erfahren?«[219]

»Du weißt ja, lieber Junge, daß ich bey Canzlers nähe!« –

»Und da kommen Sie wohl eben her?«

»Die Minute, Ja! Ich bin nur ein Huschchen zu Hause gewesen, damit man bey so schönen Leuten« – indem sie mich liebäugelnd von der Seite ansah. –

Meine Eitelkeit war geschmeichelt; ich hatte ein Mädchenherz. Das Wörtchen Schön machte mich auf einmal vergnügt. Ihre Gesellschaft fing mir an zu gefallen, und ich setzte ihr eine Tasse Chokolate vor.

»Die Gesellschaft wird woh! sehr stark seyn?«

»Zwanzig Personen, die Familie ungerechnet. – Ich mußte recht lachen – der Fremde – Sie wissen doch, der Fremde in der grauen Uniform! – Ih mein Gott! – S' ist hechtgrau! – 'S ist, glaube ich, ein kaiserlicher Offizier« –[220]

»Nun?« –

»Oben an der Thüre – als ich herausgehe – hihi – küßte er mir doch die Hand, und heißt mich gnädiges Fräulein! Hihihi! Ich konnte ihn vor Lachen kaum ansehen.« –

»Nun er wird ein kurzes Gesichte haben.«

»Dafür ist seine Nase desto länger! – Und einen Degen hat er – man könnte zweye daraus machen!« –

»Nun lassen Sie nur den armen Mann in Ruhe, Sie leichtfertiges Mädchen! – Apropos! Kennen Sie denn viele Herren vom Hofe?« –

»O ja, unter denen habe ich eine starke Bekanntschaft. – Sie meynen doch nur von der hohen Bedienung, wie Kammerjunker, Kammerherren und dergleichen?« –

»Ja, die Kammerherren zum Beyspiel? Kennst du da welche?« –

»O ja, die kenne ich alle!«[221]

»Also wohl auch den Kammerherrn ***?«

»Der mit dem Mulattengesichte und dem hohen Tupee?« –

»Ich weiß nicht, ob er ein Mulattengesicht und ein hohes Tupee hat, aber – doch Sie trinken ja nicht, Mamsell Jettchen!« –

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 218-222.
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