Achtzehntes Capitel.

Gehorsamer Diener!

[104] »Laß gut seyn!« – sagte der Junker, als ich mit meiner Erzählung fertig war – »das hat ganz und gar nichts zu bedeuten! Als ich in der Pension war, kam der Madam ihr Mädchen mehr als einmal zu mir.« – Ich fühlte in diesem Augenblicke, was Eifersucht sey, ob die Sache gleich längst vergangen war.

»Wenn er's auch der Tante gesagt hätte,« – fuhr er fort – »was wär's denn gewesen? Ich hätte auch ein Liedchen zu singen gewußt! Aber da's so gekommen ist;[105] desto besser! Warte, du sollst bezahlt werden, du lateinischer Seladon! Weißt du was? – Ich will mich hinter das Bette verstecken! – Dann haben wir ihn im Garne, und wenn er muchsen will, so erzähle ich der Tante die ganze Historie!« – Man rief uns zu Tische.

»Wir wollen doch noch ein bischen ums Dorf gehen« – sagte der Junker absichtlich laut, als wir vom Essen aufstanden. Indessen schlichen wir leis die Treppe hinan, und blieben in Lorchens Zimmer. Ich setzte eine Nachthaube auf, zog ein Corsettchen über meine Weste, und legte mich lachend ins Bette. Der Junker steckte sich hinter einen Coffer, der an der Thüre stand, und Lorchen blieb bey der Köchin.

Alles war ruhig im Hause. Der Seiger schlug drey Viertel auf eilf Uhr, als wir jemand verhalten husten hörten. – »Jetzt kommt er!« – flüsterte der Junker. –[106] »Verrathe dich nicht!« – Ich zog die Bettdecke über mich, und kehrte ihm den Rücken zu.

Die Thüre ging auf, der Hofmeister kam auf den Zehen hinein, und tappte sich an das Bette. Ich that, als ob ich schnarchte, er fühlte nach meinem Gesichte, und wollte mich küssen. In dem Augenblicke schien ich zu erwachen, spuckte aus, und gab ihm die ganze Ladung in die Augen.

»Bst Lorchen! Herzensmädchen!« – flüsterte er. – »Ich bins! Rücke ein bischen zu« – indessen er Anstalt machte, sich neben mich zu legen. – »Ach, wenn es mein Adolph wäre!« – dachte ich – und seufzte unwillkührlich. – »Du kleines loses Ding« – fuhr er fort, und wollte mich liebkosen – »Wie du warm bist!« –

Ich machte ihm Platz; denn die Comödie sollte vollkommen seyn. Indessen erhob sich[107] der Junker hinter seinem Coffer, und stellte sich an die Thüre. – »Nun Kindchen!« – fuhr das Ungethüm fort, und hielt mir seinen Tabaksrüssel hin. – »Aber, lieber Herr Hofmeister!« – »Bis kein Närrchen!« – »Herr Jesus! – aber wenn jemand käme« – »Ih nicht doch!« – »Ach Herr Hofmeister!« – »Laß doch, kleines furchtsames Täubchen!« –

In dem Augenblicke machte der Junker die Thüre auf, als ob er hineinträte, nahm das Licht aus seiner Blendlaterne, und hielt es dem Hofmeister unter die Nase. – »Ih gehorsamer Diener, Herr Magister! – Sie studiren wohl auf eine Predigt!« –

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 104-108.
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