Neunzehntes Capitel.

Der arme Sünder.

[108] Der ehrsame Herr war wie vom Donner gerührt. – »Gieb ihm doch ein bischen Riechwasser, Gustel!« – fuhr der Junker fort, und griff nach dem Hauptdepot. – Als der Magister meinen Namen hörte, stieß er einen tiefen Seufzer aus, ich aber riß meine Verkleidung ab, sprang aus dem Bette, und sagte mit einem triumphirenden Tone: – »Schämen Sie sich nicht, Herr Magister!« –

»Nun!« – fuhr der Junker fort – »wollen Sie denn hier liegen bleiben?« – »Ach!« – seufzte der Perückenstock – »Ach Gott, ich bin ein unglücklicher Mann!« –[109]

»Ein schlechter Kerl sind Sie!« – erwiederte der Junker – »Ein verschmitzter Heuchler, aber ich will's der Tante« –

»Um Gotteswillen, gnädiger Junker! Um die Wunden Christi willen – lieber den Tod!« –

»Denken Sie denn, daß das eine Kleinigkeit ist, zu den Mädchen ins Bette kriechen? – Haben Sie mir nicht tausendmal in der Epistel an die Corinther? – Wissen Sie noch?« –

»Ach!« – sagte er betrübt – »Wir sind allzumal Sünder, und mangeln des Ruhms, den wir haben sollen. – Ich sehe wohl, ich bin betrogen worden! – Ich bin in des gnädigen Junkers Händen, aber« – hier fing er bitterlich an zu weinen.

Der Junker war zufrieden, ihn geschreckt zu haben. – »Sehen Sie, Herr Magister,« – fuhr er fort – »wenn ich nun wollte, so[110] könnte ich Sie unglücklich machen, und Sie wissen wohl, was geschehen würde. Aber ich wills nicht thun; ich will nichts gesehen und gehöret haben. – Nur bitte ich mir auch aus, daß Sie mich nicht mehr als einen kleinen Buben behandeln – verstehen Sie mich? – Und was Lorchen betrifft, da lassen Sie nur ihre Hände davon, die ist zu jung für Sie.« –

Der Magister sprang vergnügt aus dem Bette, und küßte dem Junker die Hand. – »Nun, gnädiger Herr« – sagte er mit einem Studentenfluche – »Topp! halten Sie reinen Mund, und wir wollen auch leben wie Brüder. Wenn nur der Gustel« –

»Seyn Sie unbesorgt, Herr Magister – ich bin stumm wie ein Fisch.«

Der Junker ließ ihn zur Thüre hinaus, wie einen gefangenen Dachs aus dem Sacke. – »Es ist doch ein niederträchtiger Schuft,«[111] – sagte er – »aber nun haben wir ihn in der Falle.« – Ich lief noch zu Lorchen, und erzählte ihr kurz, wie es abgelaufen war. Sie küßte mich tausendmal. – Ach! was hätte ich darum gegeben, wenn sie der Junker gewesen wäre!

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 108-112.
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