Zweytes Capitel.

Projekte.

[57] Ich war eben beym Junker im Zimmer, und er ließ sich meine Geschichte erzählen. – »Nun Gustel« – sagte er – »wir wollen gewiß recht gute Freunde seyn!« – »O!« – dacht ich – »wenn Sie nur wüßten« – »Sieh« – fuhr er fort – »mein Hofmeister ist ein Stax, um den ich mich nicht so viel kümmre. Die Tante läßt mich machen, was ich will, und wenn ich zu ihr sagte: Gnädige Tante, geben Sie dem Hofmeister den Abschied, so kriegt er ihn. – Daß weiß der Hofmeister auch recht gut, und also läßt er mir meinen Willen. – Ueberdem, wenn ich – Nun du sollst es schon[58] erfahren – ich kann ihm schon den Daum aufs Auge setzen. – Ja, wie ich dir sage, Gustel – du brauchst dich um niemand was zu kümmern, als um mich. – Die Tante hat dich einmal zu meinem Jokey gemacht, und nun hat dir weiter kein Mensch was zu befehlen. – Also halte du's nur mit mir, und wir wollen uns divertiren, baden, reiten, jagen – so ein Compagnon wie du, hat mir lange gefehlt.« –

Er war die rohe liebe Natur, und ich wurde bey jedem Worte verliebter. In dem Augenblicke trat der Schneider herein. – »Ha, Ha, Meister Nähring!« – ries ihm der Junker entgegen – »Nun wie gehts? was machts Füllen?« – »Zu Dero Befehl, gnädiger Junker. – Es steht zu Hause und möft!« – Wir mußten aus vollem Halse lachen. – »Nun Meister Nähring, da soll er 'nmal dem Gustel ein Reitkollet und ein[59] Paar Hosen anmessen; alles doppelt, versteht er? – Die Tante wird das Tuch schon schicken, aber zum Sonntag muß es fertig seyn!« –

»Wie der gnädige Junker befehlen,« – antwortete der gute einäugigte Dorfschneider – und nahm sein Maaß heraus. Ich zitterte am ganzen Leibe – denn ich mußte den Rock ausziehen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 57-60.
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