Fünftes Capitel.

Die Spalte.

[66] Der Junker half mir auf, und bemerkte die Spalte in meinen Beinkleidern. – »Ih der Henker!« – sagte er – »deine Hosen sind ja total gesprengt. – Warte! Warte!« – fuhr er fort – »wir wollen sie oben mit ein paar Stecknadeln zustecken!« – Zum Glücke konnte er sie nicht finden, der Himmel weiß, was ich unter seinen Händen geworden wäre![66]

Er stieg nun selbst aufs Pferd, und nie habe ich einen schönern Reiter gesehen. Ach es war ja der erste, den ich liebte. Mein kleines Herz schwamm in Entzücken, und mein Auge folgte allen seinen Bewegungen nach.

»Was sagte denn der Hofmeister?« – fragte er endlich, als er anhielt, um das Pferd verschnaufen zu lassen. Ich sagte ihm, wie er mich angefahren hätte. –

»Weißt du auch warum?« – fuhr er fort – »Er ist in Lorchen verliebt, er geht ihr auf allen Tritten und Schritten nach.« –

»Der alte garst'ge Esel!« – sagte ich umwillkührlich – »Du magst mir ein schöner Liebhaber seyn!« –

»Ich« – fuhr der Junker fort – »Ich habe ihn ein paarmal erwischt. – Er denkt, ich weiß es nicht; aber er soll mir nur kommen.[67] – Ich will ihm die Perücke schon zurecht setzen!« –

Ich hätte gern noch mehr gehört, aber dem Junker kam die Lust an, das Pferd noch einmal zu tummeln, und er brach ab. – Ich merkte indessen, daß er doch ein wenig erfahrner seyn müßte als ich, und dieser Vorzug machte mir ihn noch lieber. Ach ein Mädchenherz ist weicher als Wachs. Es nimmt alle Formen an, und schmilzt an der kleinsten Flamme.

Endlich brach der Abend an, und wir kehrten nach Hause zurück. Der Junker freundlicher; ich verliebter als jemals. Ich konnte mich nicht satt an ihm sehen; ich suchte tausend Gelegenheiten ihn zu berühren, und die Abentheuer der Wiese beschäftigten mich die ganze Nacht. Soll ich alles gestehen! Ich konnte mich nicht enthalten, sie nachzuahmen,[68] und jede seiner Gesten mit Entzücken zu wiederholen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 66-69.
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