Sechstes Capitel.

Der Knopf.

[69] Lorchen hatte mir ein neues Hemde gebracht. Der Schneider hielt auch mit den Kleidern Wort. Ich putzte mich heraus wie ein kleiner Prinz. In stiller Freude stand ich eben vor dem Spiegel, als Lorchen hereintrat, und mich sanft in die Arme zwickte. – »Warte! wir müssen den Schneider austreiben!« – sagte sie – und schien sich in diesem Spiele zu gefallen. Ich war lustig genug, ihre Schäkereyen zu erwiedern, faßte sie um den Leib und that, als ob ich sie küssen[69] wollte. Sie wich zurück, und wir rangen mit einander. Knack! – ehe ich michs versahe – sprang mein Pantelon auf. – Lorchen fing überlaut an zu lachen, und sah durch die Finger. – Ich aber wurde leichenblaß und dachte, sie hätte alles gesehen.

Hastig riß ich mich los, und kehrte ihr den Rücken zu. – Sie stand auf, und zog mich sanft bey der Weste zu sich. – »Bist du böse, lieber Gustel?« – Ich war zu erschrocken, um antworten zu können. – Sie trat vor mich hin, und sah mich bittend und zärtlich an. – »Liebster Gustel! es war ja nur mein Spaß! – Da, du kleiner Trotzkopf!« – indem sie mir einige Küsse auf meine Lippen drückte. Ich mußte innerlich lachen. Mit der einen Hand hielt ich die verrätherischen Beinkleider, und mit der andern drückte ich sie an mein Herz.[70]

»Der verdammte Knopf!« – sagte ich – »und die Kirche wird gleich angehen.« –

»Herr Jemine!« – fuhr sie fort – »Ist er abgesprungen? – Komm geschwind her! Ich will dir 'n annähen, Herzensgustel!« –

Was war zu machen! Ich ließ mirs gefallen; aber ihre Hände zitterten, und ihr Gesicht glühte wie Morgenroth. Sie seufzte, und ich dachte an den Junker von gestern. Endlich war der Knopf angenähet. – »Nun bedanke dich auch, Monsieur!« – sagte sie lachend, und ich küßte sie auf die Wange. Sie schlug mich sanft auf den Schenkel, und sprang zur Thüre hinaus.

»Ey ey!« – sagte ich – »da hätt' ich können garstig in die Tinte kommen!« –

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 69-71.
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