Achtes Capitel.

Ansichten.

[74] Nie Ufer des Flusses waren mit Gebüsch bewachsen, und in der Mitte war eine kleine Insel.

»Aber Gustel!« – sagte der Junker – »Mir fällt was ein! – Wir müssen uns einer nach dem andern baden, sie können uns sonst die Kleider nehmen. – Ich will auf die Insel hinüber schwimmen, da sind gute Himbeeren.« –

Er fing an sich auszukleiden, und ich zitterte vor Entzücken. Eine glühende Röthe überzog meine Wangen, und meine Augen[75] schienen sich zu verdunkeln. Schon spielte die Luft in seinem verrätherischen Hemde, und küßte seine blendenden Knie. Er warf es ab, und meine Blicke verschlangen ihn. Mein Athem stockte; mein Herz klopfte heftiger, meine Augen schweiften verwundernd auf seiner Gestalt herum, und ruhten entzückt auf seinem schönsten Punkte. Außer mir, konnte ich mich nicht enthalten, sein schönes weiches Hemde zu küssen, als er mit einem Sprunge ins Wasser war.

Ich vergaß meine Kleider und meine Rolle; hätte er mich angeredet, er müßte alles errathen haben. Er schwamm jubelnd durch die krystallene Fluth, und sprang auf die Insel. Ich beneidete die Gebüsche, die mir seine schöne Gestalt entzogen; denn nur dann und wann sah ich seine weißen Hüften durch die Blätter schimmern.[76]

Eine Viertelstunde war unter süßen Ideen vergangen, als er zurückschwamm. – »Hier, Gustel!« – schrie er, und hielt mit einer Hand ein Blatt voll Himbeeren im Munde. – Ich sagte nichts; meine ganze Seele war in meinen Augen. Er warf mir die Himbeeren zu, und fing an, sich im Grase zu wälzen. Wieviel possirliche! wieviel reizende Attitüden! Ich erröthete, ohne zu wissen warum, und doch entzückte mich das abwechselnde Spiel seiner reizenden Formen. – »Das ist die beste Manier sich abzutrocknen« – sagte er. – »Aber nun mache, daß du auch hineinkommst.« –

Ich saß da, wie gelähmt. »Nur keine Umstände!« – fuhr er fort – »Frisch! Courage!« – und wollte mir die Weste aufknöpfen. – »Ja doch! Ja!« – sagte ich – und taumelte, als ob ich betrunken wäre. – Indessen erhob sich der Wind, es fing an zu[77] tröpfeln, und eine dicke Wolke verkündigte einen Platzregen. Der Junker warf sein Hemde um, ich ergriff die übrigen Kleider, und wir eilten im Fluge nach Hause.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 74-78.
Lizenz:
Kategorien: