6. [Der trübe, graue Himmel klärte sich]

[12] Der trübe, graue Himmel klärte sich,

der dumpfe Nebel aus den Gärten wich,

es knospete und keimte allenthalben,

schon stand es rings voll Primeln im Geheg,

Frühveilchen dufteten am Wiesenweg

und alles zwitscherte von Schwalben.


Und: Frühling! Frühling! klang's im Widerhall

von tausend Liedern überall ...

da plötzlich wieder kalte Schauer,

und was noch kaum erst lenzfroh aufgesproßt

verwelkte in dem rauhen Frost

und sank zurück in stumme Trauer.


Nach wenig Tagen schon zerrann der Schnee

und blitzend klomm die Sonne in die Höh,

daß alles jubelnd ihr entgegenglühte;

maiwonnig schön verfloß März und April

und Sommer ward's, und dennoch heimlich still

klagt's dann und wann

in Wies und Tann

um jene erste frühe Blüte.

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 2: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens. Stuttgart 1921, S. 12-13.
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