1. [Doch nicht, was du]

[125] Greift nur hinein in's volle Menschenleben,

ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,

und wo ihr's packt, da ist's interessant.

Vorspiel zum Faust.


Doch nicht, was du von außen packst,

ob dich ein Zufall glücklich leitet,

und wenn du's noch so scharf umzackst,

krönt dich zum Sieger und entscheidet ...


Nein: ob du's mit den Wurzeln greifst

und wie du's stimmst und wie du's reifst

in stiller Tage stillem Werden,

ob du's zur Sonne aufwärts hebst,

empor aus seines Unwerts Trübe,

empor aus seines Werktags Dunst,

ob du's mit deinem Ich durchlebst

und mit der Sehnsucht deiner Liebe,

dem Gottesatem freier Kunst.
[125]

Was sollen wir mit fremder Menschen

gleichgültiger Lust, gleichgültigem Leid?!

Du gib ihm Wort erst, Wert und Weihe

zu dem, dem du dich selbst geweiht!

Wir wollen dich, nicht ... uns, nicht andre!

wir wollen dich, was dich bewegt,

was dich ... auf freigekämpften Schwingen,

dem Staub entträgt,

dem Staub, dem Dunst, in dem wir ringen,

der Mühsal zwischen Heut und Morgen,

die uns mit ewigen Pfennig-Sorgen

um unser bestes Teil betrügt!


Mit deines Wortes mächtigem Werde

zerreiß die Nebel, schaff uns Licht ...

und über unserem kleinen Dasein

mit seinem riesengroßen Leid

zeig uns die morgengoldenen Feuer

der Sonne deiner Ewigkeit!

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 2: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens. Stuttgart 1921, S. 125-126.
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