13. [Ihr seid's, die mir wehe tun]

[49] Ihr seid's, die mir wehe tun,

erste welke Blätter,

die so früh ihr, im August,

mitten in aller Liederlust,

mitten noch in Duft und Blust,

sonnenglanzumflittert,

ohne daß ein Lüftchen weht,

vom Geäste zittert.


Was euch welkte, war nicht Frost,

war der Tau des Morgens,

der da sonst, was jung und stark,

was noch Keimkraft hat und Mark,

labt zu neuem Leben,

aber euch, die müd und matt,

früh ergrünt und frühe satt,

bleichen macht und beben.
[50]

Herbstes erste Mahner ihr,

noch im schönsten Sommer!

Das ach ist's, was reubewußt,

mitten rings in Lieb und Lust,

Vorwurf weckend, durch die Brust

Furcht und Qual mir zittert:

daß im Blühn der Sommer schon

seiner Wonne wie zum Hohn,

sich zum Herbst verwittert!


Daß in alles Werden gleich

Todeskeime wurzeln:

daß ach! unser bestes Freun

nur ein Welken und Verstreun,

daß Genuß schon ein Bereun,

was wir auch umwerben,

daß des Lebens höchster Preis

ein Verblättern nur und leis

Tod-entgegen-Sterben!

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 2: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens. Stuttgart 1921, S. 49-51.
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