[167] Ich kann euch eures Alltags Last nicht nehmen,
wie mir die meine niemand nehmen kann
und auch nicht nehmen soll ...
ein jeder finde selber sich zurecht,
ein jeder trage selbst, womit er sich belädt,
und kämpfe selber sich durch Weh und Wohl!
Was ich vermag, es ist nicht mehr vielleicht,
als euch in stiller Feierabendstunde
zu zeigen:
wie es mir gleich tausend andern ging:
wie's mich geduckt,
und wie ich gezuckt
und wie ich jede Zuversicht verlor ...
und wie ich plötzlich dann trotzig wurde:
was andre zwingen, das zwingst du auch!
es gibt kein Schicksal! Verlust und Gewinn
ist nur, was ich selber will und bin!
[168]
Und wie ich die Arme dann frei mir rang,
und wie ich den Kopf wieder hoch bekam,
und wie ich zu mir selber fand,
und wie sich langsam immer klarer,
immer freier, voller und wahrer
aus der verschütteten Tiefe hob:
alles, was ich seit Knabentagen
glühend in der Seele getragen!
Und wie es Gestalt und Leben gewann
und sich verwuchs und zusammenspann
und höher mich und höher trug,
Morgen, Sonne und Sommer entgegen,
und wie's mit immer hellerem Glanze,
mit immer freudefroherem Ruf
mich umklang und aus des Alltags
Last mir Kraft und Freiheit schuf.
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Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens
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