|
[236] 1633 November.
In allen meinen Taten
laß ich den Höchsten raten,
der Alles kan und hat;
er muß zu allen Dingen,
solls anders wol gelingen,
selbst geben Rat und Tat.
Nichts ist es spat und frühe
um alle meine Mühe,
mein Sorgen ist umsonst:
er mags mit meinen Sachen
nach seinem Willen machen,
ich stells in seine Gunst.
Es kan mir nichts geschehen,
als was er hat versehen
und was mir selig ist.
Ich nehm' es, wie ers giebet;
was ihm von mir geliebet,
das hab' auch ich erkiest.
Ich traue seiner Gnaden,
die mich für allem Schaden,
für allem Übel schützt.
Leb' ich nach seinen Sätzen,
so wird mich nichts verletzen,
nichts fehlen, was mir nützt.
Er wolle meiner Sünden
in Gnaden mich entbinden,
durchstreichen meine Schuld!
Er wird auf mein Verbrechen
nicht stracks das Urteil sprechen
und haben noch Gedult.
Ich zieh' in ferne Lande,
zu nützen einem Stande,
an den er mich bestellt.
Sein Segen wird mir lassen
was gut und recht ist fassen
zu dienen seiner Welt.
[236]
Bin ich in wilder Wüsten,
so bin ich doch bei Christen
und Christus ist bei mir.
Der Helfer in Gefahren,
der kan mich doch bewahren,
wie dorte, so auch hier.
Er wird zu diesen Reisen
gewündschten Fortgang weisen,
wol helfen hin und her,
Gesundheit, Heil und Leben,
Zeit, Wind und Wetter geben
und Alles nach Begehr.
Sein Engel, der getreue,
macht meine Feinde scheue,
trit zwischen mich und sie.
Durch seinen Zug, den frommen,
sind wir so weit nun kommen
und wissen fast nicht wie.
Leg' ich mich späte nieder,
erwach' ich frühe wieder,
lieg' oder zieh' ich fort,
in Schwachheit und in Banden,
und was mir stößt zu Handen,
so tröstet mich sein Wort.
Hat er es denn beschlossen,
so will ich unverdrossen
an mein Verhängnüß gehn;
kein Unfall unter allen
wird mir zu harte fallen,
ich will ihn überstehn.
Ihm hab' ich mich ergeben
zu sterben und zu leben,
so bald er mir gebeut.
Es sei heut' oder morgen,
dafür laß ich ihn sorgen,
er weiß die rechte Zeit.
Gefällt es seiner Güte,
und sagt mir mein Gemüte[237]
nicht was Vergeblichs zu,
so werd' ich Gott noch preisen
mit manchen schönen Weisen
daheim in meiner Ruh'.
Indeß wird er den Meinen
mit Segen auch erscheinen,
ihr Schutz, wie meiner, sein;
wird beiderseits gewähren
was unser Wundsch und Zähren
ihn bitten überein.
So sei nun, Seele, deine
und traue dem alleine,
der dich geschaffen hat!
Es gehe wie es gehe,
dein Vater in der Höhe
weiß allen Sachen Rat.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
|
Buchempfehlung
Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro