8. Tugend ist mein Leben

[243] Tugend ist mein Leben,

der hab' ich ergeben

den ganzen Mich.

Tugend will ich ehren,

Tugend wird mich lehren,

was sie selbst kan mehren:

sie wächst durch sich.


Nicht des Weges Länge,

noch des Pfades Enge

schreckt mich davon.

Laß die Dornen stechen,

Füß' und Kleider brechen,

sie wird Alles rächen

durch ihren Lohn.


Weil die Andern karten,

Lust und Schlafes warten,

so säum' ich nicht.

Itzt ist Zeit zu eilen;

dem wird alles feilen,

der sich wird verweilen

und itzt verbricht.


Alles Ander', alles

hat die Art des Palles,

der steigt und fällt.

Schätze haben Flügel,

Ehre läßt den Zügel,

Lust kommt aus dem Bügel:

die Tugend hält.


Hab' ich Gott und Tugend,

so hat meine Jugend,

was sie macht wert.

Diese schönen Beide

wehren allem Leide,

lieben alle Freude,

so man begehrt.
[243]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 243-244.
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