10. Auf Herrn Christof Schürers, Phil. et Theol. Stud., Leichbegängnüß

[267] 1633.


Preis der Jugend, Lob der Stadt,

Zier des Stammes und der Deinen,

Wohnhaus mancher Wissenheit,

Vieler Freude vor, nun Leid,

o du Ursach unserm Weinen,

das kein Endmal weiß noch hat!


War nun diß des Himmels Schluß,

daß er dich mit Gaben schmückte,

die sonst nicht gemeine sind,

und doch allzu gar geschwind'

in den Ort der Stille schickte,

welchem Alles werden muß?


Phöbus sah dich günstig an,

die gelehrten Kastalinnen

zeigten dir den Helikon,

Plato hieß dich deinen Sohn,

und Porphyr wird zeugen können,

was er schon an dir getan.


Wer dich sahe, liebte dich

hoch um Schönheit, mehr um Tugend,

so vor billich Allem geht,

ob sie gleich zurücke steht

bevorab bei unsrer Jugend,

so für sie mehr liebet sich.


Itzo war es fast nun Zeit,

daß du deiner Reisen Zügel

ließest schießen durch die Welt,

da dir schon war fürgestellt

durch der Sinnen schnelle Flügel

was sich hoch hält weit und breit,


als vor diesem denn getan

dein so weit gewes'ner Bruder.[267]

Keiner wird berühmt und groß,

welcher liebt der Mutter Schoß

für die Reisen, Pferd' und Ruder.

Wer nichts wagt, der wird kein Man.


Dieses war dein Wundsch und Sin.

Dem nur war es nicht versehen,

der sein Ja zu Allem spricht,

wenn es uns soll fehlen nicht.

»Nein«, sagt' er: »diß soll geschehen!«

und gab dich den Parzen hin.


Wie der kecke Rosenkopf

seinen jungen Hals erhebet,

weil der Blumen Wirt, der West,

ihn noch mit sich bulen läßt,

bald doch vor dem Nord erbebet

und hängt ab den welken Knopf:


so war deines Lebens Zier,

junger Schürer! Deine Blüte

war ein kurzer Blumenschein,

der bald kömt und bald geht ein.

Nur dein feuriges Gemüte

funkelt noch bei uns nach dir.


Und was ist es Neues doch

in der frischen Jugend sterben?

Polyxene ward nicht alt;

Alexander ginge bald;

mancher Held muß zeitlich erben

für den Dank ein finster Loch.


Wol dem, der nicht lang' ist hier!

Argie kunt' ihren Kindern

etwas Bessers bitten nicht.

Was dir hie zu kurz geschicht

und uns deucht dein Recht zu mindern,

das ersetzt der Himmel dir.


Neunmal hat nun Phöbe gleich

ihre Hörner eingezogen

und die Nächte blind gemacht,

seit die gabe gute Nacht,[268]

der du itzt bist nachgeflogen

in das lichte Sternenreich.


Wo der blanke Milchweg sich

in den Himmelsfeldern zeiget,

da eilt sie entgegen dir

mit so sehnlicher Begier.

Schaue, wie sie sich dir neiget,

wie sie sieht so gerne dich!


Katharine, küss' ohn' Zahl,

küsse die entfärbten Wangen

und den halb noch toten Mund

deines Bruders, der itzund

dir gleich kömmt entgegen gangen

in den nochgestirnten Saal!


Hier ist der, der dich so sucht

und noch nirgends hat gefunden,

bis er selbst verloren sich.

Der so ist erbläst auf dich,

kan genießen dieser Stunden

seines Suchens süßen Frucht.


Selge zwei, ihr habet euch

und schwebt in den heilgen Flammen!

Wir gehn irre doch allhier,

bis ein iedes, gleichwie ihr,

mit den Seinen kömmt zusammen

in das euch itzt eigne Reich.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 267-269.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte

Buchempfehlung

Bjørnson, Bjørnstjerne

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.

70 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon