3. Auf Jungfrau Marien Schürers Begräbnüß

[250] 1632.


Die heiße Zährenbach

rinnt nur umbsonst die roten Backen ab.

Kein herzerzwungnes Ach

füllt für uns aus das schon gemachte Grab.

Man hat noch nie vernommen,

daß auf die Klagewort'[250]

ein Geist sei rückwärts kommen,

der einmal schon war fort.

Die tugendvolle Lust

der schönen vor, itzt totenfarbnen Stadt

hat auch an das gemußt,

was kurzer Zeit so Viel' ermordet hat.

Was uns an ihr beliebet,

liegt vor uns kalt und tot.

Sei, junge Welt, betrübet!

Dich rührt die meiste Not.

Die neun Aonien,

der Nymphen Zunft, die ganze Götterschar

samt allen Chariten

stehn tief betrübt umb die verhüllte Bahr'.

Apollo kan nichts sagen,

ist Leid und Ächzens voll,

hat mir es aufgetragen,

daß ich sie klagen soll.

Die Tugenden gehn aus

und samblen ein Cypreß und Majoran;

sie winden manchen Strauß

und ziehen sie mit bunten Kränzen an.

Sie malen alle Plätze

und rufen aus vor ihr,

daß man in Blumen setze

sie, aller Blumen Zier.

Der deutsche Helikon

hat schwarzen Flor und Binden vorgetan.

Cytheris und ihr Sohn,

das liebe Kind, ziehn Trauerkleider an

und folgen derer Leichen,

auf die sie dachten schon,

wie sie ihr wolten reichen

den Malschatz, ihren Lohn.

Der bleiche Würger steht,

als reu' es ihn, was er an ihr getan,

weil ihm zu Sinnen geht,

was er verübt und nun nicht ändern kan.
[251]

Doch solt' ihn was gereuen?

Er würget Tag für Tag,

für dem sich Alle scheuen,

den Niemand scheuchen mag.

Wie sollen wir ihm tun?

Wir heißen dich, Leib, unter deiner Gruft

in sanfter Stille ruhn,

bis dich einmal die Seele wieder ruft,

die Seele, die schon höret,

was sie vor nicht gewußt,

bis sie auch dich verehret

mit jener langen Lust.

Im Übrigen will ich,

wie ich denn soll, durch meiner Verse Preis

geschäftig sein umb dich,

will wenden an nicht angelehrten Fleiß,

daß die, so dieses lesen,

auch melden meinen Sin,

daß ich dir hold gewesen,

du keusche Schürerin.

Ihr Andern, sündet an

die teure Myrrh' und fremdes Benzoe,

daß von dem Oliban

und Aloe ein süßer Dampf entsteh'!

Inmittelst will ich tönen

die weise Melodei,

daß auch das Grab der Schönen

nicht ohne Freude sei.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 250-252.
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