1. Auf Herrn D. Daniel Dörings und Jungfrau Rosinen Schwendendörfers Hochzeit

[285] 1632 Februar 7.


Laß, edler Bräutgam, deiner Jugend,

laß ihr doch ietzo ihren Zaum,

und gieb der reifen Freude Raum,

der Freude, die dir deine Tugend

gebieret in gewündschter Ruh'!

Durch Rechte Demut Steigest Du.


Die Demut, so mit Kunst vermählet,

bricht durch des Glückes Mißgunst vor,

erschwingt sich über Neid empor,

vor dem sie bleibet ungeschmälet.

Wer diese Tugend an sich hat,

der achtet keines Pöfels Gnad'.


Er stellt sich vor dem Vaterlande

und richtet das ihm liebe Volk;

so hoch und weit schwebt eine Wolk',

ist dieser frei von aller Schande,

von Schande, so der leichte Hauf'

in Ungebür ihm heftet auf.


Wie reich du sonsten bist an Gaben,

so kaum bei Andern einzeln sein,

iedoch muß Demut hier den Schein

vor allen andern rühmlich haben.

Gelehrte Demut ist die Pracht,

die aus uns Menschen Götter macht.


Sie rühmte dich bei unserm Kaiser

und trug dich vielen Völkern für.

Sie machte dich, du Landes Zier,

zur Säulen deiner Fürstenhäuser,

daß Iederman nun sieht auf dich

und trauet deiner Sorgen sich.
[286]

Der Himmel schenkt dir seine Schätze

und rüstet dich mit Weisheit aus.

Asträa, die bewohnt dein Haus,

durch dich versteht sie ihre Sätze.

Was göttlich und nur hoch kan sein,

das ist bei dir, du Held, gemein.


Ietzt trauen dir zu treuen Händen

Cytheris und ihr junger Sohn

der süßen Liebe milden Lohn,

indem sie dir diß Mensch verpfänden,

diß Mensch, das auch Steigt und nimmt zu

Durch Rechte Demut, gleich wie Du.


Kein stärker Bündnüß ist auf Erden,

als wenn sich Gleich und Gleich gesellt.

Diß Ganze, was wir nennen Welt,

muß gleichsfals so beweget werden.

Was außer solcher Brüderschaft,

hat langen Taurens keine Kraft.


Du hast dir ein Gemahl erkoren,

so dir gemäß in Allem ist,

in der du dir recht ähnlich bist,

in der du selbsten dich verloren.

Ietzt wirst du, Werter, doppelt reich:

du findest dich und was dir gleich.


Ihr wolgepaarten, trauten Flammen,

du, großen Vatern großer Sohn,

sie, ihres Namens Schmuck und Kron',

ietzt tretet ihr getrost zusammen,

ietzt folget ihr. Ihr endet itzt,

worauf sich Amor längst gespitzt.


Viel tausent tausent feuchte Küsse

betauen die vermählte Hand,

damit der Liebe trächtigs Land

zukünftig nicht vertrucknen müsse.

Die Munde tun ihr Amen drein,

was beide Händ' eins worden sein.


Was, Liebsten, mangelt euch vor Glücke?

Ihr sitzt der Ehren in dem Schoß'[287]

und seid der Furcht und Hoffnung los,

ihr habt die eitle Zeit zurücke,

die Zeit, so manchen Buler kränkt,

der viel bedenkt und doch nur denkt.


Geht, Liebe, geht, zerteilt die Kerzen,

ergetzet durch euch selbsten euch

und denket auch an das zugleich

in jenem lieben, süßen Scherzen,

was ihr dem Land, euch und der Zeit

für hohe Schuldner worden seid!


Daß nemlich ihr aus euch uns gebet,

was uns durch euch gegeben ist,

daß ihr einst sagen könnt und müßt,

ihr habet euch durch euch belebet.

Und so wird eurer Tugend Schein

im höchsten Grad gestiegen sein.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 285-288.
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