2. Auf Herrn Martin Schörkels und Jungfrau Margarethen Putschers Hochzeit

[288] 1632 Frühling.


Schöne Nacht, gewündschte Schatten,

kommt doch, kommet doch von Statten,

eilt doch, eilet doch anher!

Ja, ihr eilet, ja, ihr kommet!

Nun ist hier, was beiden frommet,

nun ist hin, was war Beschwer.


Gebt uns, was kömmt aus Idumen,

gebt uns junge Safranblumen,

Himmelsschlüsseln, Roßmarin,

daß wir sie den lieben Zweien,

den geliebten zweien Treuen

streuen auf ihr Lager hin!


Dieses, dieses sind die Stunden,

da ihr Alles habt empfunden,

trautes Paar, was ihr begehrt.

Was in sechsmal vierzehn Tagen

euch gewesen süße Plagen,

hat euch eine Nacht gewährt.
[288]

Nemlich itzund war zu freien,

da man Alles sich verneuen

und wie Hochzeit machen sicht,

da nun in erwärmter Erden

alle Sachen rege werden,

wie bei Bulern auch geschicht.


Die verlebte Welt wird jünger

und streicht mit verliebtem Finger

ihre Runzeln von der Haut.

Seht, seht, wie sie aus den Feldern,

aus den Auen, aus den Wäldern

mit verbulten Augen schaut!


Sie schaut nach dem lieben Freier,

der uns bringt ein neues Heuer,

der sich ihr schon anvertraut

und in ihre Glieder dringet.

Unser Bräutgam wird verjünget

in der Schoß der schönen Braut.


Gleiches Paar, doch nicht an Jahren!

Ihr laßt uns an euch erfahren,

daß auch Ungleich gleiche sei.

Doch wer fraget nach den Jahren?

Was sich soll, das muß sich paaren.

Lieb' ist hier, wie allzeit, frei.


Wenn sich ein Paar Liebe küssen,

und mit halbgemachten Bissen

Mund mit Munde lieblich ringt,

daß die küssenden Korallen

etwas lassen widerschallen,

das den Sternen gleiche klingt:


da verlaufen sich die Seelen

in die unerforschten Hölen

und verwirren sich in sich.

In den zimmetsüßen Kehlen,

da geschiehet das Vermählen,

das uns wundert ewiglich.


Zwei vermengte Lüfte machen

einen Geist, der große Sachen,[289]

doch in kleinem Halle sagt,

Sachen, die nur ihr besinnet

und doch Keinem sagen könnet,

der euch um dieselben fragt.


In demselben lieben Leben

werdet ihr nicht wissen eben,

bei euch stets, stets von euch weit,

ob ihr schlafend oder wachend,

ob ihr weinend oder lachend

oder aus euch selbsten seid.


Die gestirnten Himmelsscheiben

wollen gleich als stehen bleiben

über euch und eurer Zier.

Tausent', tausent' kleiner Wächter

treiben ein sehr laut Gelächter

euch zu Ehren für und für.


Geht, Verliebte, teilt die Flammen!

Der euch itzund giebt zusammen,

fürder' eurer Liebe Lauf!

Des ersuchten Himmels Segen

wird sich mit euch niederlegen,

schlafen, wachen und stehn auf.


Wenn der weitgepreiste Garten

keiner Blumen mehr wird warten,

wenn das Pomeranzenhaus

grau von Frost und Schnee wird stehen,

denn soll eine Blum' aufgehen

und mit Freuden blühen aus.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 288-290.
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