35. Als Einer von seiner Liebsten verreisete

[373] 1636 Mai 2.


Nein! Ich muß nunmehr von hinnen;

es, es muß geschieden sein.

Stellt das klägliche Beginnen,

Liebste, stellt das Weinen ein![373]

Wol dem, wer beherzt nimmt an,

was er doch nicht ändern kan!


Das Verhängnüß will ertragen,

allzeit nicht gewendet sein.

Wollet ihr an dem verzagen,

was doch Gott nur weiß allein?

Denkt, es könne nichts geschehn,

was er nicht zuvor versehn!


Zwar ich muß es selbst bekennen,

es ist ein sehr fernes Land,

das mich seinen Gast wird nennen.

Doch, wie weit es abgewandt,

so ist doch nur eine Welt,

die uns Beiden doch behält.


Der, der euch kan unterhalten

hier in unsrer süßen Stadt,

eben der wird meiner walten,

wo er auch zu herrschen hat.

Ein Gott, der hilft ohne Wahl

hier und da und überall.


Eine Gnad' ist schon ergangen,

daß er euch mir wiedergab.

Weil ich euch noch kan umfangen,

desto lieber scheid' ich ab;

desto freier zieh' ich hin,

weil ich stets doch bei euch bin.


Dieses Pfand, mein treues Herze

nehmet hin, wie eures ich!

Was uns itzund zwingt zu Schmerze,

soll ergetzen euch und mich!

Freude folgt auf Angst und Pein,

wie auf Regen Sonnenschein.


Gute Nacht, o liebe Seele,

o Gemüte voller Treu',

das ich durch mein Absein quäle

und durch Wiederkunft erfreu'!

Itzt schon nähert sich die Zeit,

die uns setzt in Fröligkeit.
[374]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 373-375.
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