25. An die baltischen Sirenen

[418] 1636 März 4.


Auf alle meine Lust und Freud',

auf alle meine Wonne

empfind' ich nun die trübe Zeit,

daß mir scheint keine Sonne.[418]

Blitz, Regen, Nebel, Sturm und Wind

sind mich zu töten ganz gesinnt,

das Wetter schlägt zusammen

mit Güssen und mit Flammen.


Seit daß ich euer bin beraubt,

ihr Schönsten auf der Erden,

ist mir ganz keine Lust erlaubt,

ich kan nicht frölich werden.

Ich weiß es, wie und was es sei

um ewige Melancholei,

weil nichts in meinem Herzen

regiert als bittre Schmerzen.


Leg' ich mich oder steh' ich auf,

wach' oder schlaf ich wieder,

so schläget Pein und Angst vollauf

mein mattes Herze nieder.

Ich schaffe, was ich immer kan.

Bald greif' ich das, bald jenes an,

doch kan ich meiner Plagen

mich nimmermehr entschlagen.


Habt ihr mich auch recht froh gesehn,

ihr baltischen Sirenen?

Ist mir von Herzen wol geschehn

bei eurer Lust, ihr Schönen?

Zwar eure Gottheit nahm mich ein,

daß ich euch mußte günstig sein,

doch war ich nie ohn' Schmerzen

um meines Herzens Herzen.


Apollo, der du alles weißt,

Apollo, sei mein Zeuge,

daß mir mein hochbetrübter Geist

nicht zuläßt, daß ich schweige.

Ich singe meiner Angst Begier

den Wäldern und den Vögeln für.

Die Vögel und die Wälder,

die schreiens durch die Felder.


Zythere, Mutter meiner Pein,

ach sei doch einmal milde![419]

Soll allzeit ich entnommen sein

so manchem schönen Bilde?

Ich flehe deinen Wagen an.

Will Jupiter, ich werd' ein Schwan,

ich werd' ein güldner Regen

von meiner Liebsten wegen.


Und du, o Stifter dieser Not,

Kupido, dem ich flehe,

bist du des Himmels stärkster Gott,

so wehre diesem Wehe!

O Kind, o Knabe, groß von Macht,

nim deinen Diener doch in Acht,

der sich erbeut, sein Leben

in deinen Tod zu geben.


Reißt aus, ihr Ströme meiner Qual,

reißt aus, ihr Tränenbäche,

befeuchtet meiner Wangen Tal,

weil ich fast mehr nicht spreche.

Brecht, meine Seufzer, durch die Luft,

weil ich mich ganz hab' abgeruft,

sagts, daß ich bin verloren,

in ihre leise Ohren.


Leander war ein Glückeskind

für mir und meinesgleichen.

Ihn hat verschlungen See und Wind

vor seiner Liebe Zeichen.

Ich walle durch das wilde Meer

itzt hier, itzt da, bald hin, bald her.

Mein Leitstern, eure Liebe

verlöscht mir durch das Trübe.


Laß aber diese Klagen sein,

o mein Geist, o mein Wille.

Auf Regen folget Sonnenschein,

auf Sturmwind sanfte Stille.

Tritt unter dich, hüll' dich in dich,

bis daß das Wetter lege sich.

Was man nicht kan vermeiden,

das muß man tapfer leiden.
[420]

Ach, Schönste, die der Himmel liebt

und was den Himmel kennet

erfreut mich, wie ihr mich betrübt,

löscht, wie ihr mich verbrennet.

Ein einiges Gedenken macht,

daß dieser Mund auch weinend lacht.

Wollt ihr dem Schaden schaden,

so laßt mich sein in Gnaden.


Merkt, was euch dieser Mund verspricht,

das schwört sein Herze drinne.

Aus meinem Sinne kommt ihr nicht,

weil ich mich selbst besinne.

Ihr Püsch', ihr Bäche, höret zu,

du ungeneigter Himmel du,

sag' ich es nicht von Herzen,

so dupple mir die Schmerzen.


Klagt mit mir mein Verhängnüß an,

ihr adelichen Damen,

und weil ich selbst nicht kommen kan,

so nehmet meinen Namen.

Vergießt ihr denn ein Tränlein nur

um mich verlaßne Kreatur,

ach wol mir, wol mir Schwachen,

diß wird mich stärker machen!


Säumt nicht, ihr trüben Zeiten ihr,

säumt nicht, verlauft geschwinde,

daß ich der Erden schönste Zier

in ihrer Schönheit finde.

O Menschentrost, o Götterzier,

ach Föbus, scheine balde mir,

laß mir nach diesen Plagen

es frölich wieder tagen.


Seid tausent tausentmal gegrüßt,

ihr Sonnen meiner Freuden!

Seid durch die hole Luft geküßt,

ich muß und soll mich scheiden.

Ade, zu guter Nacht, Ade,

mein Herze bricht mir vor dem Weh',[421]

Ade, ihr Mensch-Götinnen,

darmit bin ich von hinnen.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 418-422.
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