33. Sehnsucht nach Elsgen

[432] Erbarme du dich meiner Qualen,

du dicker wüster Hain,

dem Titans allerhellste Strahlen

doch geben keinen Schein.

Wie dunkel hier ist deine schwarze Höle,

so finster auch ist meine kranke Seele.


Laß unter deinem stillen Schatten

mein Klagen sicher gehn

und höre meinen Sinn, den matten,

sein Leidlied recht erhöhn,[432]

den armen Sinn, der seinen Haß auch liebet,

den nichts erfreut, als daß er ist betrübet.


So muß ich Toter dennoch leben?

Ach! kan diß müglich sein?

Was meiner Seelen Trost soll geben,

das selbst ist ihre Pein.

Ach mir! was ists vor ein verkehrtes Wesen,

das mich bringt um, von dem will ich genesen.


Glaubts, wo ihrs anders könnt verstehen,

ihr Blätter ingesammt,

der Pein muß eure Zahl nachgehen,

in die ich bin verdammt.

Die Wolge hier hat nicht so viel der Tropfen

als Ängste mir an meine Seele klopfen.


Es möchte müglich sein zu messen

die Flut der Kasper-See,

zu zählen wie viel Bienen essen

von Hyblens süßem Klee,

nur meine Pein, ein Ding auf aller Erden

kan nicht gezählt, kan nicht gemessen werden.


Naturlich ists, daß stetigs Klagen

uns endlich alle macht.

Ich werd' erquickt durch ewigs Plagen

und will sein umgebracht.

Laß seh'n, ob ich durch Freude denn kan sterben,

dieweil kein Leid mich doch nicht kan verderben.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 432-433.
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