7. Auf H. Georg Glogers Med. Cand. seliges Ableben

[42] 1631 October 16.


O Liebster, was bedeut das ungewohnte Röcheln,

die Furcht der heißen Brust, der matten Lungen Fecheln,

das so geschwinde keicht? Ach! wo, wo läßt du dich,

dein' Augen, deinen Mund, und was noch mehr, wo mich?

mich, deinen andern Dich? So bistu nun geflogen,

du schöne Seele du, und läßt unnachgezogen

den Leib, dein schönes Kleid, das mit so schöner Pracht

der Tugend war gestückt und sauber ausgemacht!

Du Mund, den Venus selbst in ihre Nectar tauchet,

und dem die Gratien ihr Holdsein eingehauchet,

ihr Augen, die ihr mich durch euer freundlich Sehn

zur Gegenliebe zwingt, nun ists um euch geschehn

und auch um euren mich! Vor hab' ich finden können

noch meinen Landsman, dich, du Labsal meiner Sinnen!

Ein Freund zwar, hoff' ich wol, mir anzutreffen ist:

so einer nimmermehr, wie du gewesen bist.

An dir hab' ich gehabt, ach! ach! gehabt den Zeugen

von meiner Poesie, wie sehr sie umzubeugen

der hagre Neid erkühnt, wie schlim er auf sie sieht!

Durch dich verlacht' ich ihn: du hubst mir das Gemüt'

ie mehr zum Ewigsein. Apollo war mir günstig,

der Musicant' und Arzt, weil du mich machtest brünstig

zu seiner doppeln Kunst. Die freie Meditrin

verweiste mich durch dich zu ihrem Tempel hin

und hieß mich ihren Freund. Wo werd' ich nun gelassen,

weil du mich so verläßt? Wie auf den rauhen Gassen

des bösen Oceans ein schwacher Nachen wankt,

der keinen Bootsknecht hat, daß er den Port erlangt,

schöpft Wasser, tauchet ein: also gehts meinem Kahne,

der nun Kunst holen soll. Ich bin auf wilder Bahne,[42]

mein Ruder ist entzwei, mein Anker bleibt im Stich',

im bodenlosen Grund'. O du mein selber Ich!

Mein Alles und mein Nichts, ach Liebster! war dein Name,

der's wol auch bleiben wird, so lang' ein Körnlein Same

der Seelen in mir bleibt! Die Faust erstarret mir,

die Tränen schwemmen aus die Dinte vom Papier'.

Ich kan, ich kan nicht mehr! So nim doch hin, mein Leben,

den Kuß, den letzten Kuß, den ohne Wiedergeben

(ach wärs auch vor geschehn!) ich setz' auf deinen Mund,

auf deinen kalten Mund! Diß ist der letzte Bund:

so bleib' ich dir vermählt! So ewig Flemings Buhlen,

die zarte Poesie, wird sein in Phöbus Schulen,

so soll dein herzer Nam' an allen Wänden stehn,

und mit der Ewigkeit mein Gloger untergehn!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 42-43.
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