22. Chor der moskawischen Nymphen auf eines guten Freundes Geburtstag

[134] 1634.


Wol dir, aller Freunde Freund,

dem itzt seine Sonne scheint,

dem wir diese Blumen binden,

dem wir diese Schlingen winden,

dem wir diesen Tag begehn!

Komm herfür, komm hieher stehn,

hieher, da wir Nymphen scherzen,

da sich Hirt' und Schäfrin herzen,

da die buhlerischen Winde

bald gelinde, bald geschwinde

ihre leichten Flügel schwingen,

da sich Schaf' am Schafe dringen,

da die Erde, See und Luft

laut in einem Rufen ruft:

Lange lebe dieser Freund,

dem itzt seine Sonne scheint!

So viel Tropfen der Näglinen,

so viel durch ganz Reußland Bienen,

so viel Schritte Moskaw weit,

so viel man da Glocken läut't,

so viel man in Jahresfrist

Lauch und Wein da trinkt und ißt:

so viel hundert schöner Tage,

so viel tausent Lust ohn' Klage,

so viel hundert tausent Freuden

ohne das geringste Leiden

müsse der allzeit empfinden,

dem wir diese Blumen binden,

dem wir diese Schlingen winden,

dem itzt seine Sonne scheint,

der ist aller Freunde Freund!
[134]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 134-135.
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