29. Auf eines Verreiseten (Lic. Crusius) Namenstag, im Namen etlicher Jungfrauen

1635 Mai 1.


Was sollen wir denn tun, was sollen wir ihm schenken,

dem Freunde, der uns liebt, um unser zu gedenken?

Der Mai, der ist zwar da mit seiner Blumenschaar,

der Mai, der mit sich malt das ausgezierte Jahr.

Was aber sollen wir? Wie können wir ihm schicken

von Blumen einen Kranz, sein Haupt damit zu schmücken?

Er ist zu weit von uns. Kein Kraut kan haben Statt,

die Nelken sterben hin, das Tausentschön wird matt,

der Majoran verwelkt, die lieblichen Violen

tun ihr Gesichte zu. Er kan nicht Atem holen,

der Isop, er verreucht. Der schwachen Blumen Schein

kan eine solche Zeit nicht unterwegens sein.

Für Blumen wollen wir ein kleines Bändlein winden

und unsern lieben Freund damit an heute binden.

Wenn aller Blumen Volk wird sein gegangen ein,

alsdann wird unser Band noch frisch im Leben sein.
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Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 88-89,142-143.
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