30. Auf ebenselbigen vor einen andern

[143] 1635 Mai 1.


Herr, ich soll billig euch vor Andern heute binden

und einen Maienkranz in euer' Haare winden,

der ihr vor langer Zeit durch eurer Günste Band

euch mich so hart verknüpft, daß diese schwache Hand

sich niemals lösen wird. Was aber werd' ich finden,

darmit ich, Edler, euch wol billig solte binden?

Kein Mittel ist nicht hier, als nur ein treuer Sinn,

mit dem ich längst vorhin ganz euer eigen bin.

Doch werdet ihr für Tat den guten Willen nehmen?

Pflegt doch der Jupiter den Man nicht zu beschämen,

der Milch für Weirauch gibt: so weiß ich auch gewiß,

daß ihr von mir mehr nicht erheischt als eben diß.

So lang' ich werde sein in eurer Diener Reihe,

so lange will ich sein bedacht auf neue Treue,

und nicht bedacht nur sein, auch weisen in der Tat,

daß diß mein Herze sei, wie sichs erkläret hat.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 143.
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