1. Aus H. Kaspar Barthen seinem Lateinischen Liebesscherze

[207] 1631.


Du hast, o liebstes Lieb, mein Herz' in deinem Herzen!

In dir, in dir es ist, nach dem ich wündsche sehr,

das ich such' überall mit ach! wie großen Schmerzen,

in dir, in dir es ist und sonsten nirgends mehr.

Ach! Liebste, lasse mich dein Mündelein betrachten,

tu doch die Lippen auf, auf daß ich sehe drein!

Ach! ach! wie ängstet sichs! Itzt wird es gar verschmachten,

weil es so mit Gewalt dir muß gefangen sein.

Doch gieb mirs wieder nicht, behalt es in dem deinen!

Mein Herze, bleibe drin, hinfort daraus nicht weich

und ändre diesen Ort! Desgleichen findst du keinen.

Hier ist dein Vaterland, hier ist dein Königreich.

Vor, da du warest noch an meinen Leib verbunden,

da fehltestu der Tür', hier giengst du ein, dort aus.

Nun du verwichen bist von mir, so hast du funden

das rechte Vaterland, das vielgewündschte Haus.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 207-208.
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