14. Grabschrift eines jungen Bären, der geheizet worden war

[217] Ich, der ich klein und jung von meiner Mutter kam,

von welcher mich die Macht der strengen Bauren nahm,

ward in der Stadt verkauft, daselbsten mich zu üben

was in der Dienstbarkeit für Freiheit wird getrieben.

Für wilde ward ich zahm, begriffe manche Kunst,

doch täte mir die Welt darfür gar kleine Gunst.

Ich weiß von keiner Schuld, als daß ich allzukühner

erhascht hab' und verzehrt so manche schöne Hüner.

Mein ganzes Leben war ein steter langer Tanz.

Zuletzte kriegt' ich noch darvon den Märtrer-Kranz.

Soll euch nicht sein, wie mir, ihr Brüder und ihr Schwestern

so bleibet, wie ihr solt, in euren wilden Nestern!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 217.
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