17. Geburtstags-Gedichte

[218] 1636 November 19.


Wie glückhaft war ich doch zu jener Zeit zu schätzen,

da ich in Gegenwart sie kunte binden an

und mich auf diesen Tag in ihrer Huld ergetzen,

da mir durchs ganze Jahr kein liebrer kommen kan!

War gleich der Blumen Zier durch blassen Frost erstorben

und keine Farbe mehr zu sehen durch die Welt,

so klagte dennoch sie hierinnen nichts verdorben.

Ihr war mein fester Sinn ein weites Blumen-Feld.

Ich bunde sie mit mir. So durft' ich auch nicht sagen,

daß ihr mein süßer Brief nicht käme recht zu Hand:

mein Herze war die Post. Das reiste stets verborgen

und brachte sich ihr selbst, sein Bote, Brief und Band.

So bunden wir uns stets und lösten uns stets wieder.

Das liebe lange Jahr war ein Geburtstag nur,

der mit der Sonnen selbst ging täglich auf und nieder

und uns nie schreiten ließ aus seiner güldnen Spur.

Was soll ich hier nun tun? Was soll ich doch beginnen?

Ach! daß ich kommen bin in die betrübte Zeit!

Seid ihr denn ratsarm ganz, ihr abgekrankten Sinnen?

Bind' oder bind' ich nicht? Es macht mir beides Leid.

Daß ich doch solte nur kaum durch drei halbe Zeilen

mein Tun ihr schreiben zu! Doch es ist müglich nicht.[218]

Ich bin von ihr getrennt auf mehr als tausent Meilen.

Laß ich es ganz denn nach, wo bleibet meine Pflicht?

Dort ist Gefahr, hier Angst. Doch, daß nicht auch die Reue

zu diesem Kummer stößt, so laß ichs ungewagt.

Ich habe Zuversicht in ihre starke Treue.

Das spricht mich bei ihr los, was mich bei ihr verklagt.

Licht, wenn du dermaleins in meinen schönen Büchern

auch dieses lesen wirst, so wirst du erstlich sehn,

wie hoch du meines Sinns hast können dich versichern

Was dich und mich itzt kränkt, das muß aus Not geschehn.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 218-219.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte