6. Auf unsers Kammerdieners Isaak Merziers Entleibung

[456] 1636 Februar 12/22.


Ach, daß du dasmal doch vom Schlafe bist erwacht!

Gab dir denn deinen Tod kein Traum nicht zu verstehen?

Nein, dein Verhängnüß hieß dich an die Mörder gehen.

Da liegst du nun vor uns. Die ungetreue Nacht,


die blind ist und blind macht, die hat dich umgebracht.

Der Täter folgt der Flucht der wolgefußten Rehen.

Wir müssen dir dein Grab auch auf der Flucht erhöhen,

weil unser langer Weg uns also eilen macht.


Lieg' hier und ruhe wol in deiner kühlen Erden!

Gott weiß, wie, wo und wenn wir Andern fallen werden.

Der geb' uns besser Heil, der geb' uns bessern Mut!


Dank hab' auch, liebe Stat, für alle deine Treue!

Doch daß nach dieser Zeit dich unser nicht gereue

und du seist recht gerecht, so räch' auch unser Blut!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 456.
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