51. In ein Stambuch, zu Niesoway in Schirvan am Kaspischen Strande

[484] 1636 November 15.


Hier braust mein naher Tod! und du, mein wahres Leben,

weinst, Bruder, lachend hier. Ich zweifle fast noch dran,

ob ich der Warheit selbst itzt glauben darf und kan.

So hat mich Angst und Lust auf einmal ganz umgeben.


Du machst mir Freud und Trost, diß Wasser Furcht und Beben,

Ach Freund, ach schaue mich, ach schaue dich doch an,

was hat das Glücke doch uns beiden nicht getan?

Gott aber habe Dank, der uns läßt oben schweben.


Euryalus ist tot, sein Nisus lebt mehr nicht.

Orestes hört nicht mehr, was Pylades verspricht.

Uns beide sol die Welt so treu', als jene preisen.


Dein aber, o Hyrkan, und deiner Wellen Macht

sol bei uns allezeit nach Würden sein gedacht.

Auf, Freund, auf, mehr als Freund! itzt laß uns weiter reisen.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 484.
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