22. An den Abendstern, daß er ihn balde zu ihr bringen wolle

[501] Geh' auf doch, geh' doch auf, du hellester der Sterne!

Der Klytemnestern Sohn, der müde sieht nach dir,

komm, Ruhfreund, lös' ihn ab. Diana scheint dir für,

daß ihr Volk seinen Gang von deinem Laufen lerne.


Trit, Hesperus, trit auf und stelle dich ins Ferne.

Die mir um deine Zeit gerufen hat zu ihr,

steht vor dem Fenster schon und wündschet sehr nach mir.

Komm, führe mich zu ihr, bei der ich bin so gerne.


Der sinkend' Abend fleucht, die dunkle Nacht fährt aus.

Der finstre Schatten schleicht um Thetis blindes Haus,

die müde Welt schläft, ein, die muntern Lüfte wachen.


Wo bleibst du? Ja, du kömmst. So leite mich denn hin.

Ich werde nicht eh' froh, als bis ich bei ihr bin,

die auch die Traurigkeit selbselbst kan frölich machen.

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 501.
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