23. An die Nacht, als er bei ihr wachete

[501] Wie aber eilst du so, du meiner Schmerzen Rast?

Deucht michs doch, daß ich kaum auf eine Viertelstunde

allhier gesessen bin bei diesem Rosenmunde,

der meinen machet blaß; so merk' ich, daß du fast


dich an die Hälfte schon von uns entzogen hast.

Kehr um und halte Fuß und gib uns Zeit zum Bunde,

den wir hier richten auf von ganzem Herzengrunde,

kehr' um und sei bei uns ein nicht so kurzer Gast.


Dein Sohn, der sanfte Schlaf, schleicht durch das stille Haus

und streut die leise Saat der Träume häufig aus,

darmit du länger kanst bei unsrer Lust verweilen.


Verhüll' uns in ein Tuch, bis daß das dunkle Licht

des halben Morgens dir durch deine Kleider bricht,

denn ist es Zeit, daß wir mit dir von hinnen eilen.
[501]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 501-502.
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