6. Auf ein Bildnüß der Histori von Hero und Leandern. Aus dem Französischen

[494] Leandern bin ich ganz in meiner Liebe gleich,

empfindend, wie auch er, viel tausent harter Plagen.

Die Wellen und der Wind, die hießen ihn verzagen.

An so viel Herzensangst bin auch ich, Armer, reich.


Kein Wetter, keine Furcht, kein Tod, der macht' ihn bleich.

Er mußte dennoch sich nach seiner Liebe wagen.

So will ich unverwandt auch auf mein Liebstes jagen.

Tut, Feinde, was ihr wollt, was frag' ich wol nach euch?


In Einem scheinen wir nur nicht sein zu vergleichen;

sein liebliches Gestirn', als fester Liebe Zeichen,

kunt' ihm für Wind und Tod sein kein Behältnüß nicht;


du mehr als götlichs Licht zwei himlischer Laternen,

machst, daß der Sturm und Strom an mir verspielen lernen

zuwider aller Macht, die sich an mir zerbricht.

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 494.
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