85. Über seiner Freundin Präsent. Er redet sein Herze an

[528] Dein Herze muß ja noch, mein Herz', an dich gedenken.

Sie hat dich noch in ihr, vergisset deiner nie.

Schau doch, diß ist ihr Pfand. Wilst du nicht glauben? Wie?

Was sind die Sachen denn, die Träume, die dich kränken?


Wach' auf, gib deinen Wahn den Winden zu versenken

tief in die wilde See. Die Auserwehlte, die

benimt dich durch den Gruß und dieses deiner Müh'

und will dich selbsten dir durch dieses wieder schenken.


Vernim doch ihre Treu' und deines Glückes Gunst.

Sie ist noch, wie sie war, und will es fort verbleiben.

Wolan, so such' herfür und brauche deiner Kunst.


Weg, ungelehrtes Leid, mit deiner trüben Dunst.

Darf ichs ihr sagen nicht, so darf ichs ihr wol schreiben,

daß du, mein Herze, glühst von ihres Herzen Brunst.[528]

Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 528-529.
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