91. An ihren Garten

[531] Ich denke noch an sie, die tausent lieben Stunden

und tausent noch darzu, die ich in deiner Schoß,

du wolgelegner Platz, mehr nutzbar als zu groß,

an keinerlei Frucht arm, zu jener Zeit empfunden,


wenn, wie Olympie sich hat um mich gewunden,

so ich sie wiederum in die zwei Arme schloß.

Wie selig war ich da, wie aller Menschheit los,

wie ofte hat uns doch Priapus so gefunden!


Es steht ein Maulbeerbaum bald bei dem Vorderteiche,

dem wündsch ich, daß sein Haar ihm nimmermehr verbleiche,

entgehe nie sein Saft. Denn die vermeinte Nacht,


die er dem Stamme gibt mit seinen dicken Blättern,

die weiß es, wie sie mich zuerst hat angelacht.

Für diese Gunst sei du befohlen allen Göttern!


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 531.
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