97. An einen andern

[533] Sei willig, edler Ring, mich willig zu gelosen

und einer schönern Hand forthin geschenkt zu sein,

die zwar nicht edler macht ein mehr als edler Stein.

Nein, darum send' ich ihr versetzt in dieser Rosen


die angenehme Nacht der günstigen Türkosen,

darmit sie nicht soll sehn des Scheines Widerschein,

der aus der Stirnen blinkt und auch den Stein nimmt ein,

daß er von ihrer Zier ihr gleichsam lieb muß kosen.
[533]

Der lichte Diamant blitzt, wie ihr Antlitz tut,

der blutende Rubin trinkt ihrer Lippen Blut,

der Wangen wahres Bild lebt in den Karniolen.


Lieb, liebe diesen Stein, ders redlich mit dir meint.

Denn daß ein andrer dir mehr hell' und reiner scheint,

das hat er deiner Zier und Schönheit abgestohlen.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 533-534.
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