Zur Erinnerung an Kaiser Wilhelm I.

und Kaiser Friedrich III.

[279] (Prolog, gesprochen im Berliner Geschichtsverein

am 13. Oktober 1888)


Was unterging in Zeitensturm und Flut

Und was zu Schutt gefegt der Kriegesbesen,

Was, an Idolen und an Martyrblut,

Der Inhalt der Jahrtausende gewesen,

Wir suchen es – und was am tiefsten ruht,

Das wird am freudigsten erforscht, gelesen,

Heut aber, statt zurück uns zu versenken,

Gilt's unsrer Tage Toten zu gedenken.


Wir denken deiner, der, als Preußen tot,

Ein Knabe noch, an Preußens Grab gestanden

Und, als Gott selbst uns dann das Zeichen bot,

Uns mit befreit aus unsrer Ohnmacht Banden;

Dein Lebensabend war ein Morgenrot,

Und als des Abends letzte Lichter schwanden,

Da lagen Siegeskränze, hochgeschichtet,

Um deinen Sarg – das Reich war aufgerichtet.


Und denken deiner, der, auf Tage nur,

Uns grüßend ansprach, im Vorüberschweben,

Doch dieser neunundneunzig Tage Spur

Ist uns als ewig Erbe nun gegeben,

Wie Balder, blond und leuchtend am Azur,

So kamst du, gingst du, Freiheit war dein Leben,

Im Reich des Lichtes der Erwählten einer-

Ja, Kaiser Friedrich, wir gedenken deiner.


Vorbild in Arbeit, Treue, wahr und schlicht,

In Demut, die der Größe sich verbündet,

So war der Eine – hell und sonnenlicht

Hat uns der Andre Kommendes verkündet,

Ein jeder groß in seiner Fürstenpflicht,

So ward durch sie die neue Zeit gegründet,[279]

Uns aber, die wir stehn in ihrem Segen,

Uns ziemet Dank. Gott mit uns allerwegen![280]


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 279-281.
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