7. Kapitel
Die Schlacht am Cremmer Damm am 24. Oktober 1412

[41] Dieselbe fand bei Cremmen statt und führt den Namen der »Schlacht am Cremmer Damm«. Sicherlich war es keine Schlacht in unserm Sinne, kaum ein Gefecht, und die Verluste, soweit die Zahl mitspricht, werden hüben und drüben sehr unbedeutend gewesen sein, dennoch lebt das Ereignis frischer in der Erinnerung fort, als manche große Schlacht, die Brandenburg-Preußen seitdem geschlagen hat. In dieser Beziehung stellt sich das am Cremmer Damm erfolgte Rencontre dem Tage von Fehrbellin zur Seite, während es, auf das Taktisch-Strategische hin angesehen – wenn so große Worte bei so[41] kleinen Vorgängen überhaupt gebraucht werden dürfen – einem achtundsiebzig Jahre früher an genau derselben Stelle mit genau demselben Feinde stattgehabten Kampfe gleicht, der ebenfalls den Namen einer Schlacht am Cremmer Damm führt. Es gibt also zwei Schlachten dieses Namens:

eine (die frühere), die 1334 zwischen Herzog Barnim von Pommern und Markgraf Ludwig von Brandenburg,

und eine zweite (die unsere), die 1412 zwischen den Pommernherzögen Otto und Kasimir und Burggraf Friedrich ausgefochten wurde.


*


Die voraufgegangene Schlacht von 1334 genießt des Vorzugs, in einer schönen und charakteristischen Volksballade behandelt zu sein, die hier mitzuteilen ich mir aus verschiedenen Gründen nicht versagen möchte.


Die erste Schlacht am Cremmer Damm

(Zwischen Herzog Barnim von Pommern und Markgraf Ludwig von Brandenburg 1334)


Als Herzog Barnim, der kleine Mann,

(Um mit Markgraf Ludwig zu fechten)

Kam bis an den Cremmer Damm heran,

Sprach er zu Rittern und Knechten:


»Das Cremmer Luch ist ein garstig Loch,

Und den Feind daraus zu vertreiben,

Ich denke, Leute, wir lassens noch

Und wollen diesseits bleiben.


Wir schreiben aus eine große Steur,

Und wer sich nicht will bequemen,

Den zwingen wir mit Wasser und Feur

Und wollen das Vieh ihm nehmen.«


Der Rat gefiel den Pommern all

Und verquer und an den Ecken

Gruben sie hastig Graben und Wall,

Dahinter sich zu verstecken...[42]


Hier wechselt nun die Szene, das Lied springt von drüben nach hüben oder, was dasselbe sagen will, von der pommerschen nach der märkischen Seite hinüber und fährt fort:


Markgraf Ludwig, der tapfere Held,

Drüben sah man ihn reiten,

Er dachte, »die Pommern stehen im Feld

Und werden den Damm überschreiten«.


Als aber keiner sich's unterwand,

Ließ er seinen Trompeter kommen

Und sagte: »Nimm deine Trompet in die Hand

Und blas' bis sie's drüben vernommen.


Und sage dem Herzog Barnim an,

Ich hätte groß Verlangen,

Ihn und seine Ritter, Mann für Mann,

Hier diesseits zu empfangen.


Und wenn es hier diesseits ihm nicht behagt,

So wollt' ich ihm versprechen,

Auch auf dem Luchdamm unverzagt

Eine Lanze mit ihm zu brechen.«


Drauf der Herzog: er woll' ihm Rede stehn,

Nicht-kommen das dünk' ihm Sünde,

Sie wollten sich treffen und wollten sehn,

Wer das Spiel am besten verstünde.


Nun hebt der Kampf an, und scheint den Pommern den Sieg verbürgen zu wollen, als diese jedoch vordringen, um ihren Erfolg auszubeuten, büßen sie diesen wieder ein und werden zum Rückzuge gezwungen. Im Liede aber heißt es weiter:


Vom Graben ging's auf den Damm hinauf,

Drauf standen dicht die Märker,

Die wehrten sich einzeln und zu Hauf,

Aber Herzog Barnim war stärker.


Die Märkischen konnten nicht bestahn,

Das Luch war ihr Verderben,[43]

Und viele mußten da liegen gahn

Und ohne Wunde sterben.


Und mählig wichen sie Schritt für Schritt,

Vor Cremmen weiter zu fechten,

Die Pommern folgten im festen Tritt,

Die Ritter mitsamt den Knechten.


Aber vor Cremmen hielt man an

Und mußte draußen bleiben,

Die Märkischen standen da Mann für Mann

Und waren nicht zu vertreiben.


Sie schossen hinunter aus Turm und Tor

In das pommersche Gedränge,

Dann drängten sie selber wieder vor,

Tote gab es die Menge.


Da sprach Schwerin: »Das tut kein gut,

Laßt uns den Damm erfassen,

Oder wir müssen unser Blut

Hier alle vor Cremmen lassen.«


So zogen sie wieder dem Damme zu,

Heimwärts ohne Schimpf und Schade,

Zuletzt ging auch der Krieg zu Ruh, –

Gott geb' uns seine Gnade.


*


Ganz im Einklange mit der Schilderung, die die vorstehende Volksballade von dem ersten Kampfe bei Cremmen gibt, verlief auch der zweite, der unsere. Diesseits des Dammes, in Stadt und Schloß Cremmen, standen die Märkischen unter Führung oder vielleicht auch nur in Gemeinschaft mit einer Anzahl fränkischer Ritter, die den Burggrafen Friedrich aus seinem Erblande her in die Mark begleitet hatten; drüben, jenseits des Dammes, aber standen die Herzöge von Stettin. Und genau wie zu Herzog Barnims Zeiten drangen die Pommern auch heute wieder auf dem durch das sogenannte »Luch« sich hinziehenden Cremmer Damm vor und errangen insoweit einen Vorteil, als die Märker, trotz des Versuches dazu, dies Vordringen nicht hindern konnten. Als aber, nach[44] diesem ersten unzweifelhaften Erfolge der beiden Herzöge, der Sieg perfekt gemacht und Stadt und Schloß Cremmen mit stürmender Hand genommen werden sollte, versagte den Pommern die Kraft zu diesem Abschluß der Aktion, weshalb sie sich genötigt sahen, über den von ihnen eroberten Damm ihren Rückzug anzutreten. So der Verlauf der kleinen Bataille, genau so wie 1334. Das ganze hatte den Charakter eines Brückengefechtes gehabt, eines Gefechtes in einem Defilee. Das Luch als solches zu passieren oder durch Flankenbewegungen zum erweiterten Kampfplatz zu machen, verbot sich und so schob man sich denn auf dem Damm hin und her, immer nur mit der Spitze Fühlung habend. Diese Spitze bildeten auf märkischer Seite die fränkischen Ritter und diese waren es auch, die den Preis des Tages zu zahlen hatten. Einer derselben, Kraft von Leutersheim, ward vom Damm her in das Luch abgedrängt und versank in demselben, eine Version, die mir wahrscheinlicher dünkt als eine zweite, nach der er, schwerverwundet, in ein benachbartes Dorf geschafft und in der Kirche daselbst bestattet sein soll.

Die beiden anderen Ritter, die fielen, waren Ritter Philipp von Utenhoven und Graf Johannes von Hohenlohe. Beide (besonders der letztere) dem Burggrafen nahestehend, wurden von Cremmen aus nach Berlin geschafft und in der Franziskanerklosterkirche daselbst, die sozusagen markgräfliche Hofkirche war, beigesetzt. Ihre Grabsteine sind verschwunden, aber ein dem Grafen Hohenlohe geltendes Wandbild, das, so läßt sich annehmen, der Burggraf selbst dem Gedächtnis dieses seines Getreuen stiftete, hat sich bis diesen Tag in besagter Kirche, neben der Orgel erhalten und gibt nicht nur Zeugnis, wie der Burggraf den ersten auf märkischer Erde für Haus Hohenzollern Gefallenen ehrte, sondern gleichzeitig auch eine gute Vorstellung von der Bildnis- und Geschichtsmalerei jener Epoche, wenn auch freilich nicht innerhalb unserer Mark, der solche Kunstübung fremd war. Es ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, eines Nürnberger Meisters Arbeit, ein vergleichsweise wohlgelungenes Bild, auf dem wir einen jugendlichen Ritter in schwarzer Rüstung und weißem Pelzmantel erblicken, der vor dem Heilande kniet und wehmütig das blasse, überaus traurige Haupt zu dem Erlöser erhebt. Christus selbst steht mit den Emblemen seiner Schmach, mit Geißel, Dornenkrone und dem Ysopstabe vor dem Ritter, aus des Heilandes Wunden aber ergießen sich fünf Blutströme in den Kelch des heiligen Abendmahls.[45] Darüber ein Helm mit dem Adlerschmuck und ein Wappenschild mit zwei Leoparden. Um das Ganze herum zieht sich die Legende: »Anno domini 1412 am St. Columbanus Abend verschied der hochgeborne Graf Herr Johannes von Hohenlohe, dem Gott genade. Amen.«

Friedrich konnte sich in seiner Trauer nicht genug tun und ließ, außer dem vorgeschriebenen Kirchenbilde, noch ein Kreuz am Cremmer Damm selbst errichten, an eben der Stelle, wo Graf Hohenlohe gefallen war. Zweimal wurde das Kreuz seitdem erneuert: erst unter dem Großen Kurfürsten (mit der dem unhistorischen Sinn jener Zeit entsprechenden Angabe, daß hier »ein brandenburgischer General« gefallen sei), dann unter Friedrich Wilhelm IV.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 13, München 1959–1975, S. 41-46.
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