1. Graf Adam Schwarzenberg

[346] 1755 kam Prinz August Wilhelm von Preußen, ältester Bruder Friedrichs des Großen, mit seiner Schwester, der Prinzessin Amalie nach Spandau. Bei dieser Gelegenheit besahen sich die beiden königlichen Geschwister auch das Innere der Nikolaikirche. Bei der Begräbnistafel des Grafen Schwarzenberg blieb der Prinz erstaunt stehen, indem er zu seiner Umgebung äußerte: »Wie? Ist der Graf nach dem Tode George Wilhelms nicht nach Wien gegangen und dort verstorben? Diese Tafel ist wohl nur zum Schein hier angebracht?« Aller Gegenversicherungen ungeachtet blieb der Prinz auf seiner Meinung bestehen, und um sich vollständig von dem Sachverhalt zu überzeugen, befahl er, das Grab zu öffnen. Nachdem dies geschehen, erhielt der Page von Dequede von dem Prinzen die Weisung hinabzusteigen und zu sehen, ob sich wirklich ein Leichnam im Gewölbe befinde. Der beherzte Page kam nach einiger Zeit mit dem halb vermoderten Kopfe eines Menschen wieder zum Vorschein. Der Prinz besah den Kopf[346] genau und rief dann unwillig: »Ja, das ist er. Man werfe ihn nur wieder hin!«

Diesem Befehle folgte der Page buchstäblich und als unmittelbar darauf Kirchendiener und Maurer in die Kirche kamen, um das Grab wieder zu schließen, bemerkten sie, daß der Kopf auf der Brust des Leichnams lag. Daraus entstand das Gerücht, daß Graf Schwarzenberg enthauptet worden sei. 1777 ließ der Prediger des damals zu Spandau in Garnison liegenden Regiments Prinz Heinrich einen Aufsatz drucken, in dem er die Enthauptung bereits als ausgemachte Tatsache hinstellte. Er beschrieb sogar den Ort in der Spandauer Heide, wo die Hinrichtung stattgehabt hätte, und fügte noch hinzu, daß man »im Jahre 1755 bereits den Körper des Grafen ohne Sarg, nur zwischen einigen Brettern liegend, vorgefunden habe.«

Aber durch eben diesen Aufsatz wurde auch die Anregung gegeben, näher nachzuforschen und das Gerücht auf seine Grundlosigkeit zurückzuführen.

Oberst von Kalkstein, der ehemalige Kommandeur des Regiments, wollte Gewißheit haben und ließ am 20. August 1777 abermals das Gewölbe öffnen, wobei außer dem Herrn Obersten noch folgende Personen zugegen waren: Regimentschirurgus Laube, der Garnisonprediger, Justizrat Lemcke, Adjutant von Bardeleben, Konrektor Dilschmann, Inspektor Schulz und Dr. Heim (der spätere »alte Heim«, damals, von 1776 bis 1783, Arzt und Physikus in Spandau).

Den Deckel fand man neben dem Sarge sehr zertreten; der Sarg selbst war mit violettfarbenem Samt ausgeschlagen und mit goldenen Tressen besetzt; der Leichnam ruhte auf Kissen von weißem Taft. Bekleidet war der Graf mit einer langen spanischen Weste von Silberstoff, an der Seite hatte er einen bereits verrosteten, mit goldener Tresse verzierten Degen, seidene, fleischfarbige Strümpfe bedeckten die Beine, und auf den Füßen trug er schwarzlederne Schuhe mit sehr dicken Sohlen. Ein schwartzsamtner, mit einer goldenen Rundschnur besetzter, niedergeschlagener Hut lag auf dem Körper und neben demselben der Kopf.

Dr. Heim nahm den Kopf in die Hand, um ihn genau zu untersuchen; hierbei fand sich, daß derselbe mit Kräutern angefüllt und einbalsamiert war. Die Knochen waren noch nicht vermodert und die sieben Halswirbel fanden sich im Sarge sämtlich unverletzt vor. Heim erklärte: »Der Graf ist nicht enthauptet worden, sondern eines natürlichen Todes[347] gestorben.« Auch wurde eine Urkunde darüber ausgestellt, die sich bis diesen Augenblick in einem verschlossenen Kasten des Spandauer Kirchenarchivs befindet.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 11, München 1959–1975, S. 346-348.
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