Friedrichsfelde von 1762 bis 1785
Prinz Ferdinand

[126] Prinz Ferdinand, der jüngste Bruder des großen Königs, hatte von 1744 an in Ruppin residiert, wo das Regiment, das seinen Namen führte, in Garnison lag; von 1756 bis 1763 war er mit den andern Prinzen im Kriegslager gewesen. Der Hubertusburger Friede und der Erwerb von Friedrichsfelde fielen fast zusammen und mit einer Art von Ausschließlichkeit gehörte der Prinz von 1763 bis 1785 diesem anmutigen Lustschloß an, das nun schon zweien Herrenmeistern des Johanniterordens als Residenz gedient hatte. Er war der dritte. Von 1785 an wurde Schloß Bellevue (im Berliner Tiergarten) der Aufenthalt des Prinzen, bis 1802 nach dem Tode seines Bruders, des Prinzen Heinrich, Rheinsberg an die Stelle von Bellevue trat.

Wir haben also, von dem siebenjährigen Kriegsinterregnum abgesehen, vier Epochen im Leben des Prinzen Ferdinand zu unterscheiden: Ruppin, Friedrichsfelde, Bellevue, Rheinsberg, von denen die Friedrichsfelder Epoche die wichtigste und die längste ist. Sie umfaßt zweiundzwanzig Jahre und zeigt, nach dem bescheidenen Maße von Geist und Gaben, das speziell diesem[126] Prinzen zuteil geworden war, wenigstens Leben und Farbenfrische, wenn auch nichts von Eigenart.

An dieser gebrach es durchaus. Man darf sagen, daß er in allem seinen Bruder Heinrich kopierte; der Friedrichsfelder Hof war Seitenstück und Nachahmung des Rheinsberger. Zunächst wurde die Hofhaltung im weitesten Sinne ganz nach dem dortigen Muster eingerichtet. Kavalierhäuser, Stall- und Wachtgebäude, Tempel und Grotten wurden aufgeführt, alles wie in Rheinsberg. Wie Prinz Heinrich einige vierzig Kammerhusaren hielt, die die Rheinsberger Garnison bildeten und den Wachtdienst im Schlosse hatten, so hatte Prinz Ferdinand eine Art Invalidenkolonie in Friedrichsfelde, die ihren Zuzug aus seinem Ruppiner Regiment empfing. Diese alten Soldaten bestellten ihr Stück Garten- und Ackerland und nur immer einige wenige von ihnen mußten abwechselnd auf Wache ziehn. Kam dann aber hoher Besuch, Prinz Heinrich oder gar der König selbst, so mußten sie sämtlich aufmarschieren, um die militärischen Verhältnisse von Friedrichsfelde in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen. Das Wachtlokal ist noch da und erinnert mit seinen Holzsäulchen, die das obere Stockwerk tragen, an die früheren Wachthäuser am Halleschen Tor.

Natürlich war auch das Friedrichsfelder Leben dem Rheinsberger verwandt, nur blasser, insipider. Wir müssen hinzusetzen, zu seinem Glück. Es hatte wohl auch seine »Chronique«, seine Flüsterungen, seine Geheimnisse, aber es fehlte doch der eigentümliche Parfum, der in dem stillen, abgelegenen Schloß am Grieneritzsee alle Dinge durchdrang. In Friedrichsfelde gab es Frauen, das sagt alles. Ihre Gegenwart bedingte nicht immer Tugend, aber doch wenigstens Natur. Und davon hatte der Friedrichsfelder Hof sein volles Maß. Die durchlauchtigste Dame, die demselben vorstand, war eine Prinzessin von Schwedt, gehörte mithin einem Frauenzirkel an, von dem man sagen konnte, daß er der Natur noch um einen Schritt näher stand, als Frauen ihr gewöhnlich zu stehen pflegen. Ihren Bildern und Büsten in alten Galerien (am besten in der Schwedter selbst) zu begegnen, ist eine wahre Herzensfreude. Welche Fülle von Leben, welche Gesundheit in Formen und Farben! Ihre Ehen waren nicht immer normal, nicht immer das, was Ehen sein sollen, aber es waren gute Frauen, und – die Männer waren glücklich.

Überraschend zu sagen, die Hauptfestlichkeiten in Friedrichsfelde waren Taufen! Namentlich um jene Zeit herum, wo die gesamte hohenzollersche Deszendenz auf zwei Augen stand.[127] Am 11. November 1771 wurd' im Friedrichsfelder Schloß ein Prinz geboren, bei der damaligen Sachlage durchaus ein »Ereignis.« Der Prinz erhielt die Namen Friedrich Christian Heinrich Ludwig. Der König, die Königin, Prinz Heinrich, wohnten der Tauffeierlichkeit bei; von auswärtigen Mitgliedern der Familie war die verwitwete Königin von Schweden, Luise Ulrike, geladen. Im Kirchenbuche findet sich von der Hand des Pastors Lindenberg,10 der die Taufe vollzog, folgende Bemerkung eingetragen:

»Diese glückliche Entbindung war um so viel freudiger, weil der theuerste Vater seit einigen Wochen an einer sehr gefährlichen Krankheit darniederlag, so daß man verschiedene Tage sein Ableben befürchtete; Umstände, welche bei der nahen Entbindung die geliebte Gemahlin äußerst geängstigt und elend gemacht hatten, so daß man wegen ihres Lebens besorget war.... Es war auch, bei der äußersten Gefahr des Prinzen, von Seiner Fürstlichen Gemahlin und zwar vor Ihrer Entbindung dem Prediger aufgetragen worden, eine Betstunde in dero Zimmer zu halten, welches denn auch in aller Stille, in Gegenwart der Prinzessin, der Prinzessin Philippine und zween Dames geschah. Es war rührend, dabei so viel Andacht und Wehmuth an so hohen Personen wahrzunehmen.«

Über die anderweiten Aufzeichnungen des Kirchenbuches gehen wir schneller hinfort, trotzdem dieselben an zwei Namen anknüpfen, die es in der Geschichte Preußens, in Glück und Unglück, zu hohem Ansehen gebracht haben. Am 18. November 1772 wurde Prinz Louis Ferdinand, der »Saalfelder«, am 19. September 1779 Prinz August, der Reorganisator der preußischen Artillerie, geboren.

Sechs Jahre später verließ der Ferdinandsche Hof Friedrichsfelde. Es scheint nicht, daß er, trotz langen Aufenthalts daselbst, in der Einrichtung des Schlosses Erhebliches zu ändern vorfand. Am 21. Juni 1785 wurden Schloß und Park an den Herzog von Kurland verkauft.[128]

10

Dieser Pastor Lindenberg starb 1774 an den Folgen eines Schrecks, den ihm eine Spukerscheinung verursacht hatte. Als er nämlich, kurz vor seinem Tode, von einem Besuch im Schloß in seine Pfarre zurückwollte, sah er eine weibliche Gestalt, die vor ihm herging und auf sein Anrufen keine Antwort gab. Als sie bis dicht vor der Kirche waren, wies sie mit der Hand auf eine Stelle neben einem Eckpfeiler und verschwand dann. Der Pastor kam in äußerster Erregung in seiner Wohnung an, erzählte was er gesehen und starb den dritten Tag danach. Er wurde neben dem Eckpfeiler an eben der Stelle begraben, auf die die Gestalt gezeigt hatte.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 12, München 1959–1975, S. 126-129.
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