3. Resultate

[198] Man kann nicht läugnen, daß Cooks Reisen von den schiedensten Klassen des Publikums mit einer allgemeinen Aufmerksamkeit gelesen worden sind. Hieraus scheint unmittelbar zu folgen, daß ihr Interesse aus den allgemeinsten Beziehungen entstanden seyn müsse, welche die Wißbegierde der Menschen am sichersten reizen, indem sie ihre Denkkraft beschäftigen und Empfindungen in ihnen erregen. Dem Menschen liegt unstreitig kein Gegenstand näher als der Mensch selbst in allen seinen mannichfaltigen Verhältnissen der Gestalt, der Entwicklung, der Verfassung, der Zeit und des Orts. Die Vergleichung unzähliger Abweichungen von unserer Lebensweise, die Betrachtung dessen, was in diesen verschiedenen Gemälden auf unsern eignen Zustand anwendbar ist, die Erweckung einer Menge von Ideen, Vorstellungen, Begriffen und Neigungen, die bereits in uns vorhanden waren, aber[198] durch ähnliche oder auch entgegengesetzte Züge im Charakter verschiedener Nationen erst angestoßen wurden, sind eben so viele kräftige Mittel die Aufmerksamkeit des Verstandes zu fesseln. Die Begebenheiten der Reise, die Gefahren der Reisenden, ihr erlittenes Ungemach, das Betragen der Einwohner ferner Gegenden, mit einem Worte, Handlung ist es, was auch die Leidenschaften des Lesers in das Spiel zieht, und das Interesse der Reisebeschreibung aufs höchste spannt. Ein jeder fühlt sich an der Stelle des Beobachters, oder des Handelnden, und bestätigt dadurch jene so allgemein bekannte, als feine und richtige Bemerkung des dramatischen Dichters:


Homo sum: humani nihil a me alienum puto.


Auch die Natur, insofern ihre Beziehungen auf unser Leben leicht in die Augen fallen, gehört zu den Gegenständen, die ein allgemeineres Interesse erwecken. Es ist uns nicht gleichgültig, auf welche Art in jedem Lande die ersten Bedürfnisse befriedigt werden, und welche Annehmlichkeiten oder welche Mängel das Klima, die Unebenheiten des Bodens, die Bekleidung der Erde mit Bäumen und Kräutern und ihre Bevölkerung mit allerley Thierarten dem Beobachter darstellen. So hat auch die Schilderung großer Naturerscheinungen, insbesondere solcher, welche unmittelbare Beziehung auf die Sicherheit des Menschen haben, oder sich durch ihren majestätischen Anblick der Einbildungskraft bemeistern, für alle Klassen von Lesern einen starken Reiz. Auf diese allgemeinere Beziehungen folgen dann eine Menge nähere und speciellere, welche ihr Interesse nur von der verschiedenen Rücksicht, in welcher man liest, entlehnen. Der Umfang einer großen Entdeckungsreise und die Mannichfaltigkeit der darin vorkommenden Gegenstände machen aber, daß man sie fast in eben so vielfältiger Absicht mit Nutzen lesen kann, als es Modificationen oder Zweige des menschlichen Wissens giebt. Doch sind auch unter diesen wissenschaftlichen Beziehungen einige von allgemeinerem Interesse, und andere, die fast ganz allein den eigentlichen Gelehrten an sich ziehen, dem es um die Berichtigung oder Vermehrung gewisser Reihen von Begriffen zu thun ist. Diese letzteren enthalten nämlich das Detail einzelner Wahrnehmungen, deren Anwendung man ohne[199] Sachkenntniß nicht gleich absehen kann; da hingegen jene hauptsächlich nur die wichtigen Resultate zusammenfassen, welche für diese oder jene Wissenschaft aus den vorerwähnten einzelnen Faktis flossen. Zu diesen allgemeinen Folgerungen, welche auf das Aggregat vieler einzelnen Beobachtungen gegründet sind, und dennoch selbst für den gleichgültigsten Leser etwas anziehendes haben, wäre es auch nur, weil sie Stoff zur gesellschaftlichen Unterhaltung darbieten, scheinen mir folgende mit Recht gezählt werden zu können: 1. daß eben so wenig das Daseyn des eingebildeten Südlandes jemals wieder behauptet werden kann, als die dunkle Lehre vom nothwendigen Gleichgewicht der beyden Halbkugeln; 2. daß das Meer um beyde Pole gefriert, und jene Eismassen bildet, von denen man ehedem wähnte, sie kämen aus großen Flüssen herabgeschwommen; 3. daß eben dieses Eis von Salztheilchen leer ist und zum Trinken gebraucht werden kann; 4. daß man heut zu Tage zur See astronomische Beobachtungen anstellt, wodurch sich die Länge fast allezeit bis auf einen halben Grad zuverläßig bestimmen läßt; 5. daß im Fach der nautischen Geographie nunmehr alle großen Entdeckungen erschöpft sind, und die Nachlese nicht anders als ärmlich ausfallen kann; 6. daß die südliche Halbkugel mehrentheils mit Wasser bedeckt, und verhältnißmäßig kälter als die nördliche ist; 7. daß viele Inseln und Felsenbänke vom ansehnlichsten Umfange im heissen Erdstriche blos das Werk einer Art polypenähnlicher Gewürme sind; 8. daß im Weltmeer ein zwiefaches Leuchten, ein elektrisches und phosphorisches, Statt findet, wovon letzteres wieder auf doppelte Art, nämlich unorganisch und in lebendigen Thieren, erscheint; 9. daß die häufige Erscheinung der Seevögel und des schwimmenden Seetangs (fucus) nicht mehr für ein sicheres Zeichen von nahem Lande gilt; 10. daß entlegene Inseln niemals reich an vielerley vierfüßigen Thieren sind; 11. daß die Botanik aus jenen neuentdeckten Ländern mit mehr als zweytausend Gewächsen bereichert worden ist, von denen manche in Zukunft einen beträchtlichen Nutzen versprechen; 12. daß man, bey gehörigen Vorkehrungen, auf dreyjährigen Seereisen vom Scharbock nichts zu befürchten hat; 13. daß sich dem Handel von mehr als Einer Seite neue Aussichten eröfnen;[200] 14. daß verschiedene große und wichtige Länder dem Unternehmungsgeiste der Europäer die vortheilhaftesten Lagen zu neuen Pflanzstädten darbieten, wodurch dereinst das gmeinschaftliche Band der Nationen gestärkt, und die Kultur des Menschengeschlechts in allen Welttheilen befördert werden kann; 15. daß durch das ganze Südmeer, von der Nachbarschaft Indiens bis gegen Peru und Mexiko hinüber, auf weit entfernten und vereinzelten Inseln, ein Volk angetroffen wird, das in Gestalt, Sprache und Überlieferungsbegriffen durchgehends übereinstimmt, ob es gleich in Kultur, Verfassung und Sitten verschieden ist. 16. Daß ein andrer, in Ansehung der Sprache, Farbe und körperlichen Bildung von jenem verschiedner Stamm sich nicht so weit von Indien durch einige andere Inselgruppen ausgebreitet hat; 17. daß man in Absicht der Bevölkerungsgeschichte der Erde schwerlich auf zuverlässigere und mehr entscheidende Data rechnen kann, als man bereits besitzt; 18. daß die Natur des Menschen zwar überall klimatisch verschieden, aber im Ganzen, sowohl der Organisation nach, als in Beziehung auf die Triebe und den Gang ihrer Entwickelung, specifisch dieselbe ist; 19. daß, so wie es kein Volk ohne Sprache, und keine Sprache ohne Vernunft giebt, so auch keinen blos thierischen Stand der Natur; endlich 20. daß eine völlige und absolute Gleichheit unter den Menschen, so wie sie physisch nirgends exsistirt, auch sittlich unmöglich ist. Die Ausmittelung dieser und anderer Sätze von gleichem Gehalt scheint den Reisen unseres großen Seemanns einen entschiedenen Werth beyzulegen; und es würde dem kalten Leser zum Vorwurf gereichen, wenn er sie aus langer Weile überschlagen, und dem theilnehmendern, wenn er vorsetzlich ihre Wichtigkeit verkennen wollte.23 Ich wenigstens bin zu fest überzeugt, daß[201] es mehr als Eine Quelle des Interessirenden giebt, und hege zuviel Achtung für den vorzüglichen Grad der unter uns herrschenden allgemeinen Aufklärung, um es wahrscheinlich zu finden, »die Geschichte jener Reisen gewähre dem Leser weiter nichts, als Befriedigung der Sehnsucht nach einem goldnen Zeitalter,« da sie meines Erachtens im Gegentheil, diese Vorstellungsart auf immer aus dem Reich der Wirklichkeit in die Phantasiewelt der Dichter verweiset. Überall, wohin Cook und seine Gefährten kamen, es sey in der Nähe des Pols oder des Äquators, fanden sie den Genuß der Menschen im Verhältniß mit der Thätigkeit ihres Körpers und ihres Geistes. Der gemästete Müßiggänger ist in O-Taheiti, wie in Europa, nur eine Mißgeburt der Regierungsform, die auf Unkosten einer arbeitenden und dienstbaren Klasse von Menschen exsistirt. Sollte sein Loos uns nicht vielmehr ein Gegenstand der Verabscheuung, als der Sehnsucht seyn? Doch es ist Zeit, eines so übereilten als unverdienten Spottes zu schonen. So lange es unbestritten bleibt, daß eine vollkommnere Erkenntniß unserer Verhältnisse, oder dessen was wir Wahrheit nennen und durch vervielfältigte Erfahrung erlangen, dasjenige Ziel ist, für welches die Natur Geschöpfe mit entwicklungsfähigen Anlagen bestimmte; so lange wird das Verdienst des Entdeckers, der die Summe des menschlichen Wissens mit jener Menge von neuen oder berichtigten Begriffen vermehrte, weit über alle Anfälle der Tadelsucht erhaben, auf einem unerschütterlichen Grunde stehen. Will man aber noch weiter gehen, und seine Bemühungen, weil sie unserer gesitteten Verfassung, unserer wissenschaftlichen Aufklärung, unserer durch vermehrte Bedürfnisse aufs höchste gespannten Thätigkeit angemessen und nothwendig sind, eben darum auch für heilsam und nützlich erkennen; will man dasjenige, was heut zu Tage politische und sittliche Glückseligkeit zu heißen pflegt, nicht für Täuschung und leeres Wortgepränge halten: so wird sich ein dankbares Gefühl in unsere Bewunderung mischen, und dem wohlthätigen Genius der Entdeckungen huldigen, der uns jene für die Mitwelt und Nachwelt so reichhaltigen Resultate verschafte.

Den Menschen zu erhalten, und ihn glücklich zu machen, sind die beyden großen Probleme der Staatskunst. Daher[202] schmückte bey Völkern, die das Verdienst zu ehren pflegten, ein Bürgerkranz den Mann, der alle Kräfte aufgeboten hatte, um zu diesen edlen Zwecken mitzuwirken. In England trat eine gelehrte Gesellschaft gewissermaßen in die Vorrechte des Souverains, indem sie sich freywillig die ehrenvolle Pflicht auferlegte, Verdienste um den Staat zu krönen. Cook hatte den Scharbock, diese Pest der Seefahrenden, welche sonst auf den Brittischen Flotten mehr Schlachtopfer hinweg zu raffen pflegte, als der blutigste Krieg, durch weise Maaßregeln besiegt. Ihm also, dem Retter und Befreyer von diesem grausenvollen und langsamverzehrenden Tode, dem Erhalter des Lebens vieler Tausende, die künftig gesund und getrost den Ocean beschiffen werden, ihm reichte die Philosophie den Kranz der Ehre dar, den er im alten Rom vom Volk und vom Senat erhalten hätte.24 Cook hatte aber durch seine Entdeckungen für die Erhaltung jener nützlichen Menschenklasse, die sich nicht anders ernähren kann, als wenn sie unaufhörlich ihr Leben wagt, auf mehr als Eine Art gesorgt. Des Vortheils nicht zu gedenken, daß nach seinen letzten gefahrvollen und fruchtlosen Versuchen eine nördliche Durchfahrt zu finden, die Entdeckung derselben, welche bereits so viele unglückliche Unternehmungen veranlaßte, nunmehr bis auf eine künftige Verrückung der Erdachse wohl nicht versucht werden möchte, belehrt uns ein Blick auf die Charte, wie viel er dazu beygetragen hat, die Gefahren der Schiffahrt durch die genauere Auskundschaftung der Seeküsten des ganzen Erdbodens zu vermindern. Ich rede nicht blos von seinen geographischen Entdeckungen in einem bisher noch wenig besuchten Welttheil. Wie viele Ankerplätze, Häfen und Rheeden, wo Schiffe in Sicherheit liegen und für ihre Mannschaft Erfrischungen laden können, müßten wir nicht herzählen wenn wir die herkulische Arbeit seiner drey Entdeckungsreisen durchgehen wollten! Allein auch Länder, die uns näher und schon im Bezirk des Europäischen Seehandels liegen, sind[203] durch seine Bemühungen genauer bekannt, so wie ihre Lagen richtiger bestimmt und ihre Häfen mit allen kleinen zur praktischen Schiffahrt unentbehrlichen Merkmalen beschrieben und gezeichnet worden. Ein eben so wichtiges und glänzendes Verdienst des unsterblichen Entdeckers, kann ich nicht übergehen, wenn ich nicht den Vorwurf einer großen Vergeßlichkeit verdienen will. Ihm, und zwar fast ganz allein ihm, ist man die vollkommnere Vereinigung der Sternkunde mit den Geschäften des Seemannes schuldig, eine Vereinigung, wodurch die größte Gefahr und Schwierigkeit der Schiffahrt gehoben wird. Er begnügte sich nicht, das praktisch-anwendbare dieser erhabenen Wissenschaft selbst unabläßig zu benutzen, sondern bildete während seiner Reisen in eben diesen Grundsätzen auch eine Menge junger Officiere, die gegenwärtig durch Beyspiel und Unterricht den Geist der Beobachtung in der ganzen Brittischen Marine verbreiten. Die schrecklichen Folgen der Unwissenheit, oder wohl gar einer thörichten Verachtung astronomischer Kenntnisse, die Verwirrung, die Angst, das Elend, die Gefahren, denen der Seemann ausgesetzt ist, wenn ihn ein Sturm von seiner Laufbahn verschlägt, und es ihm an Mitteln fehlt, sich wieder zu orientiren, sind durch unzählige Beyspiele zu bekannt, als daß ich sie hier zu schildern brauchte. Um so vielmehr ist es zu verwundern, daß, bis auf Cooks Entdeckungsreisen, die nautische Sternkunde in ihrer Kindheit blieb. Die Länge zur See zu beobachten und zu berechnen, war bis dahin bey allen Seeleuten unerhört, und sowohl astronomische Instrumente, als Beobachter, die diesen Namen verdient hätten, waren noch äußerst selten. Ja, es ward sogar im Jahr 1770 noch nothwendig befunden, in dem Anhang zu den Mayerischen Tafeln den berühmten Sternkundigen de la Caille zu widerlegen, welcher behauptet hatte, daß die leichteste und einfachste aller Beobachtungen, die der Sonnenhöhe am Mittage, nicht genauer als bis auf fünf oder gar nur auf acht Minuten, der Wahrheit nahe kommen könne. Auf Cooks Schiffen hingegen war kein Officier, und kaum ein Seecadett, der nicht mit aller erforderlichen Genauigkeit die Entfernung des Mondes von der Sonne oder von einem Stern zu messen, folglich von allen Beobachtungen die subtilste[204] anzustellen gewußt hätte. Es war mit dem Wetteifer und dem Ehrgeiz, den ihr Befehlshaber ihnen eingeflößt hatte, ganz unverträglich, daß sie sich über diesen Punkt eines Vorwurfs schuldig gemacht hätten. Eben diese Fertigkeit bewiesen sie in dem Gebrauch des Azimuth-Compasses zur Bestimmung der Abweichungen der Magnetnadel, und in der dazu nothwendigen Berechnung. Cook führte sie zur Untersuchung der Strömungen im Meere, der Höhe und Richtung der Fluthen, und der Zeit ihres Wechsels an, worauf die Sicherheit der Schiffahrt an Küsten ganz vorzüglich beruhet. Allein auch jene wissenschaftlichen Beobachtungen, welche bis jetzt noch keine unmittelbare praktische Beziehung haben, sind dem jungen Officiere wenigstens in so fern vortheilhaft, als sie seinen Beobachtungsgeist schärfen und einst zu wichtigen Entdeckungen Anleitung geben können. Ist es nicht, zum Beyspiel, merkwürdig, daß die Fluth, mitten im Ocean kaum zwey Drittel der Höhe erreicht, welche man nach Anleitung der Theorie erwarten sollte? Ist nicht das Südlicht in dem kalten Strich der andern Halbkugel ein Faktum, welches für die Physik noch viel verspricht? Unter Cooks Anführung lernte also der Seecadett seine Aufmerksamkeit auch auf die Tiefe des Meeres in verschiedenen Gegenden, auf dessen verhältnißmäßige Wärme, und die Menge des im Wasser enthaltenen Salzes, auf die Ursachen der Polarität, auf die Inclination der Magnetnadel, und auf die Wirkungen der Schwere richten. So genoß er auch den Unterricht dieses großen Lehrers im Aufnehmen und in der Verfertigung der Seecharten. Im Boot und am Ufer, mit dem Compaß, dem Sextanten, dem Senkbley, einer Meßkette und andern Hülfsmitteln bey der Hand, maß er Winkel, Tiefen und Entfernungen; in der Kajüte bey mehrerer Muße entwarf er nach diesen Angaben den Plan der neuen Küste. Bedenkt man einen Augenblick, daß die Führung eines Schiffs blos von dem Willen, und folglich von der Einsicht des Officiers abhängt, so wird der Nutzen des astronomischen und physikalischen Unterrichtes für die Erhaltung des Schiffvolks, und Cooks Verdienst um die Menschheit, auch in dieser Rücksicht offenbar. Die einsichtsvollesten Schiffscapitains in der Flotte fühlten die Vorzüge dieser Officierschule in ihrem ganzen[205] Umfange, und bewarben sich um die Erlaubniß unseres großen Seemannes, ihre Söhne oder nächsten Verwandten zu ihm ins Noviciat schicken zu dürfen. Auf seiner ersten Reise begleiteten ihn einige junge Leute, die bereits unter Byron oder Wallis das Südmeer besucht hatten. Aus diesen und einer großen Anzahl Cadetten, die ihm von ihren Altern anvertrauet wurden, bildete er nach und nach mehrere vortrefliche Officiere, die theils auf den folgenden Reisen ihn wieder begleiteten, theils auf andern Stationen seiner Erziehung Ehre machten. Eben dasselbe Verdienst, welches ihn ohne fremde Hülfsmittel emporgehoben hatte, war auch hinreichend, seine Zöglinge zu befördern; verschiedene, die als Subalternen unter ihm dienten, schwangen sich bald zu Lieutenants, und selbst zu Befehlshabern von Schiffen empor. Die mannichfaltigen Ereignisse einer Entdeckungsreise waren für sie eine reichhaltige Quelle von Erfahrungen gewesen, die sie sonst nirgends in so kurzer Zeit hätten sammeln können, und unter keinem andern Führer so gut hätten benutzen lernen. Sie hatten sich daher, durch lange Gewohnheit, in allen Fächern des Seedienstes Cooks Methode zu eigen gemacht, und seine strenge Aufsicht hatte sie beständig darin geübt. Wo der edle Antrieb, sich hervorzuthun, mit dem Vortheil, sich nach einem so großen Muster bilden zu können, zusammentraf, war es da ein Wunder, daß ein gewisser Grad von Vollkommenheit errungen ward? Hätte das moralische Beyspiel mit dem mechanischen gleiche Kraft; oder wären die Triebfedern der Nachahmung gleich wirksam in dieser zwiefachen Beziehung, und interessirte es die jugendliche Vernunft, die noch keine Widerwärtigkeiten kennt, das Herz des Menschen so zu prüfen wie seinen Verstand: so müßten aus Cooks Schiffen lauter Officiere hervorgegangen seyn, die auch im Betragen gegen ihre Mannschaft seine milde, väterliche Zucht, und im Umgang mit ungebildeten Völkern seine menschenfreundliche Achtung für ihr Leben bewiesen hätten. Allein die moralische Bildung fordert eine längere Erfahrung und eine seltene Thätigkeit des Selbstgefühls.

Von jenen beyden vorhinerwähnten Aufgaben ist daher auch die Kunst, Menschen glücklich zu machen, die schwerste. Schon der schwankende Begriff der Glückseligkeit, den jeder[206] mit sich herumträgt, müßte wohl, ehe er praktisch werden könnte, in den meisten Fällen eine große Einschränkung oder eine gänzliche Umschmelzung leiden. Mit den Neigungen und Bedürfnissen, mit den Anlagen und Fähigkeiten des Menschen, müssen auch die von ihm unabhängigen äußern Umstände in Rechnung gebracht werden; ja es ist augenscheinlich, daß die Dinge, auf welche wir einen Werth setzen, und in deren Genuß wir glücklich sind, jenen Werth nur durch die praktische Erkenntniß ihres Gegensatzes erhalten, und uns nicht anders befriedigen können, als indem wir den Zustand, worin wir sie entbehrten, mit dem, worin wir sie erlangten, vergleichen. Zwischen den Augenblicken des Begehrens und der Befriedigung liegt der Augenblick des Bestrebens, um den es vielleicht der Natur am meisten zu thun ist. Ihr Instinkt, der mit unwiderstehlicher Kraft nach physischem Wohlbehagen, nach gesundem, schmerzlosem Daseyn, oder auch nach der lebhafteren Empfindung angenehmer sinnlicher Eindrücke strebt, ist eben so wohl als dieser Genuß selbst, nicht Zweck, sondern Mittel; die Absicht der Natur ging auf Entwicklung der Kräfte, auf Handlung, Bewegung, Thätigkeit; was sie von Genuß uns zur Lockspeise vorhielt, sollte, wie die kleine Portion Honig, welche der Hottentotte seinem freundlichen Bienenkukuk überläßt, nur den Gaumen reitzen, uns nur körnen, desto eifriger ihren Zweck zu befördern.25 Das Bewußtseyn, welches sich zum Instinkt gesellt, erzeugt eine Menge oft widersprechender Neigungen, die auch alsdenn, wenn sie natürliche Triebe ersticken, noch immer jenen Satz bestätigen. Die Vorstellung, welche im Menschen die herrschende wurde, mochte noch so abentheuerlich seyn, so fand er einen Genuß darin, der ihn antrieb, seine ganze innere Kraft aufzubieten, und alles mit einer Empfindung, die stärker als jede andre sein Selbstgefühl erweckte, in Verbindung zu setzen. Glücklich seyn, scheint dem zufolge, wenigstens[207] in der einzigen Welt die wir kennen, einen Zustand zu bezeichnen, wo Arbeit und Ruhe, Anstrengung und Ermattung, Begierde und Befriedigung, Wollust und Schmerz, Freude und Leid mit einander wechseln, wo aber die frohen Augenblicke des Genusses kräftig genug zu neuer Thätigkeit reizen, und lebenslang die möglichste Entwicklung aller physischen und sittlichen Kräfte befördern. Die Extreme einer zu heftigen Erschöpfung und einer gänzlichen Befreyung von aller Mühe, ersticken beyde die Thätigkeit, und machen nicht glücklich. Ohne Reiz, nämlich im ersten Fall ohne Hofnung, im andern ohne Begierde, sinkt die Hand, die nach dem Genuß greifen sollte, kraftlos zurück; wo hingegen das wichtige Verhältniß zwischen Arbeit und Genuß alle Fähigkeiten und Anlagen hervorruft, entwickelt und in volle Wirksamkeit setzt, da scheint der weisen Staatskunst weiter nichts übrig zu bleiben, als über die Entwicklung verschiedener Kräfte so zu wachen, daß sie einander nicht zerstören können. Zur Prüfung dieser Gedanken müßte man untersuchen, ob die Länder, welche verhältnißmäßig die größte Anzahl glücklicher Menschen besitzen, nicht zugleich diejenigen sind, wo Freyheit der Person, des Eigenthums, des Gewissens und des Denkens jede Art von Betriebsamkeit im höchsten Grade befördert, und wo man, ohne sich zu erschöpfen, für alle Bedürfnisse des Staats mit einer Art von Verschwendung sorgt? Diese wenigen Züge sind gewiß hinreichend, jedermann einen Staat ins Gedächtniß zu rufen, der sie alle in sich vereinigt.

Die Fortschritte der Aufklärung geben derjenigen Thätigkeit, welche die Hauptbedingung zum Glück der Menschen ist, einen stärkern Schwung; denn sie bringen neue Verhältnisse in Umlauf, wodurch die Industrie mit der immer steigenden Vermehrung der Bedürfnisse wieder ins Gleichgewicht kommt. In eben dem Sinn, wie man thierische Körper Maschinen nennt, hat man auch den zusammengesetzten Staatskörper mit dem vielrädrigen, leblosen Gebilde der menschlichen Kunst verglichen. Allein alles an dieser Maschine lebt, jeder Theil hat eigene Lebenskraft, und die Vereinigung lebendiger Glieder bildet nicht ein todtes, sondern ein beseeltes organisches Ganze, fast auf eben die Art, wie nach van Helmont,[208] Bonnet und Otto Friedrich Müller, jede Organisation der Natur auf unserer Erde ein Aggregat lebendiger Einheiten ist.26 Eine beständige und gewaltsame Bewegung, wobey unabläßig Theile verloren gehen und wieder ersetzt werden, erhält und ernährt dieses ungeheure Ganze; ein heftiger äusserer Stoß, ein Mißverhältniß der Organe, Erschlaffung aus Mangel, Stockung aus Übermaß der Säfte, verursachen in ihm, wie im einzelnen Thiere, Gährungen, Erschütterungen, Krankheiten und Zufälle aller Art, ja bisweilen gänzliche Auflösung oder Übergang in andere ähnliche Körper. Ohne dieses Gleichniß weiter zu führen, erläutert es die Unentbehrlichkeit derjenigen Erhaltungsmittel, an welche sich ein Staat, vermöge seiner Verfassung oder seiner ganzen Art zu existiren, gewöhnt haben kann, und schildert deutlich die Gefahr, welche ihm bey jeder Hemmung des einmal zu seinem Leben bestimmten Kreislaufes droht. Es mag also immerhin wahr seyn, daß ein mächtiger, reicher, üppiger Staat, im vollen Genuß seiner Kräfte, den Keim der Verwesung schon in sich enthält; im Grunde ein leerer Schall, da keine Gesellschaft unauflöslich ist: – so verliert das Verdienst eines Mannes, welcher dem gegenwärtigen Bedürfniß zweckmäßig abhilft und die Gesundheit des Staatskörpers auf lange Zeit sichert, so wenig, als der Ruhm eines geschickten Arztes, der einen Kranken wieder herstellt, ohne ihn unsterblich machen zu können.

Wenn also Cooks Entdeckungsreisen neue Aussichten für den Flor seines Vaterlandes eröfnen, wenn sie seine Mitbürger zu neuer Thätigkeit aufmuntern, und die allgemeine Aufklärung aller gesitteten Völker befördern; wer raubt ihm dann den unsterblichen Ruhm, für das Glück vieler Tausende gearbeitet, ja selbst sich hingeopfert zu haben? Dieses Verdienst des großen Seemannes ist nicht etwa blos hypothetisch, nicht der Traum einer hochgespannten Einbildungskraft, welche sich erkühnt, in eine dunkle, ungewisse Zukunft zu blicken; schon jetzt sprossen die Früchte der ersten und letzten Reise des Entdeckers hervor. Zwischen China und der neuentdeckten Westküste von Nordamerika haben englische Kaufleute das Band des Handels schon mit dem besten Erfolg geknüpft, und ihr erster wohlgerathener Versuch beweist die Einträglichkeit[209] dieser neuen Fahrt. Die Pelzwerke jenes neuen Welttheils, und insbesondere die See-Otterfelle, welche der üppige Mandarin beynahe mit Gold aufwiegt, werden sich lange in ihrem Preise erhalten; denn diese Thiere müssen seltener werden, je eifriger der Amerikaner, durch den Tauschhandel angereizt, ihnen nachstellt. Es läßt sich also ohne besondern Scharfblick voraussehen, daß die Bequemlichkeit des Handels an jener westamerikanischen Küste bald die Errichtung fester Posten und Factoreyen nothwendig machen wird, aus denen mit der Zeit ordentliche Pflanzstädte entstehen müssen. Erinnert man sich dabey an das schnelle Wachsthum der Staaten, welche neulich auf der östlichen Küste desselben Welttheils in einen großen republikanischen Bund zusammengetreten sind, so erwartet man, innerhalb ein Paar Jahrhunderten, auch westwärts eine wichtige Erscheinung am politischen Himmel. Die Natur aller Kolonien bringt es mit sich, daß sie, sobald sie für sich selbst bestehen können, sich emancipiren und vom alten Stamme losreißen. Dieses Schicksal steht unfehlbar, früher oder später, den spanischen Besitzungen durch ganz Amerika bevor, und kann vielleicht durch die Entstehung eines neuen Handelsstaats in Neualbion beschleunigt werden. England könnte also einmal an den Bourbonischen Höfen, die jezt die Unabhängigkeit der Amerikanischen Staaten unterstützten und sogar ihren Handel an sich zu bringen suchten, das Wiedervergeltungsrecht ausüben, und den Verhältnissen der alten mit der neuen Welt durch neue Revolutionen ein ganz verändertes Ansehen geben.

Aus der Verwesung organischer Körper, oder ihrem Auswurf, entstehen wieder neue Organisationen. Zuerst sind es zwar nur Schimmel und Bilze; doch diese bereiten das Erdreich für den Keim eines edleren Pflanzengebildes. Aus den überflüßigen oder schädlichen Gliedern eines Staats, die er von sich wirft, keimen bald neue Gesellschaften hervor, die allmählig zu einer ansehnlichen Größe und Stärke gedeihen. Einige Menschen von größerer Seele, welche sich unter günstigen Umständen in diesen neuen politischen Organisationen hervorthun, geben der noch biegsamen Masse Gestalt und Consistenz, und hauchen ihr einen bildenden Trieb ein, der sie in allen ihren Theilen entwickelt und weiter organisirt. Die[210] Freystaaten in Amerika hatten keinen andern Ursprung, und ihre Gesetzgeber giengen aus ihrer eignen Mitte hervor. Eben diesen geringen Anfang hat die neue Brittische Kolonie, welche, noch in diesem Jahre, an der Ostküste von Neuholland angelegt werden soll. Jenes von Cook auf seiner ersten Reise ent deckte Neusüdwallis, und jene Botanybay, wo die Naturforscher in Zeit von drey Wochen beynahe vierhundert neue Pflanzengattungen fanden, sind zum künftigen Wohnort der Verbrecher ausersehen, welche sich seit einigen Jahren in den Englischen Gefängnissen angehäüft haben. Dort liegt ein ungeheures Land, welches man füglich einen neuen Welttheil nennen könnte, unbebaut und unbewohnt vor ihnen offen, und bietet ihnen einen milden Himmelsstrich, eine fischreiche Küste, und ein zum Anbau bequemes Erdreich dar. Das noch unerforschte Innere dieses Landes enthält vermuthlich eine Menge merkwürdiger, vielleicht kostbarer Produkte. Die geringe Anzahl der Elenden, die nackend, zerstreuet und ohne bleibende Stätte an den dortigen Seeufern irren, ist weder den Ansiedlern gefährlich, noch hat sie von diesen etwas zu befürchten. Der Anfang dieser neuen Pflanzstadt kann also unblutig seyn; sie kann die Jahre ihrer Kindheit ruhig und ungestört verleben, und muß, fern von dem Mutterlande, ihren Unterhalt mit desto größerem Eifer im Ackerbau suchen, der die einzige Quelle des wahren Reichthums ist. Allein sobald die Bevölkerung in Neuholland nur geringe Fortschritte macht, verwebt sich die Anpflanzung der nahegelegenen Inseln von Neuseeland, welche an Bau- und Nutzholz, an Pflanzenprodukten aller Art und an Fischen so ergiebig sind, mit in das Interesse der neuen Kolonie. Das dortige Erdreich und Clima sind dem Anbau unserer Getraidearten und des Weinstocks vorzüglich angemessen. Die Hyacinthenähnliche Pflanze (Phormium) welche dort einheimisch ist, und den Einwohnern einen unzerstörbaren, seidenweichen und glänzendweißen Flachs liefert, eine Pflanze die zugleich den Vortheil hat, daß sie auf einem felsichten, oder selbst einem sumpfigen Boden, welcher sonst nicht genutzt werden könnte, vortreflich gedeihet, bieten den Stoff zu Segeltuch, zu Stricken und selbst zu allerley Arten von Leinwand dar. Die harzigten, gewürzhaften Bäume, aus deren Sprossen Cook Bier[211] und Thee bereiten ließ, und mehrere Kräuter, welche allem Anschein nach reich an Heilkräften sind, versprechen dem Handel neue Aussichten; es sey nun, daß die angeerbte Wildheit der einheimischen Barbaren mit der Zeit gemildert werden kann, oder daß die Pflanzvölker europäischen Ursprungs, sich mit gewafneter Hand unter ihnen niederlassen. Für die nördliche Gegend von Neuholland, welche dem Äquator näher liegt, sind die Produkte der zwischen den Wendekreisen im stillen Meere zerstreuten Inselgruppen von größerer Wichtigkeit. Der Brodbaum, dessen Früchte eine so reichliche, gesunde und schmackhafte Nahrung geben, die Kokospalme mit ihren Nüssen, ihrem Öl und ihrem weinähnlichen Saft, der Pisang, der taheitische Myrobatanapfel, die Yams und Aronswurzeln, die süßen Batatten, das Zuckerrohr, mit Einem Worte die Früchte und eßbaren Pflanzen jener Archipele, können dereinst mit Nutzen in dem neuen Lande angezogen werden. Schon an den Küsten giebt es Stellen, die zum Anbau derselben tauglich sind, und in den Thälern, welche tiefer im Lande liegen, lassen sich dergleichen mit noch größerer Wahrscheinlichkeit vermuthen. Der Kajoputibaum, der das berühmte Öl dieses Namens giebt, und eine Menge Bäume, aus denen ein kostbares, dem Drachenblut sehr ähnliches Harz hervorquillt, wachsen in jenem Lande wild. Vielleicht könnte man von den Freundschaftlichen Inseln nach Neuholland auch eine neue Gattung des Fieberrindenbaums bringen, dessen bittrer, würzhafter Geschmack deutlich genug zu beweisen scheint, daß er so wenig, wie seine Amerikanischen Verwandten, an Heilkräften leer ausgegangen ist. Wer weiß nicht heut zu Tage von der Wichtigkeit dieses Amerikanischen Produktes zu sprechen, und wer erkennt nicht, daß allein die Entdeckung desselben das Band zwischen Peru und Europa unauflöslich macht? Eine zweyte Art von Fieberrinde aus den Caribäischen Inseln fängt an, durch ähnliche, doch verschiedene, aber in gewissen Fällen noch wirksamere Kräfte in Ruf zu kommen. Die dritte ziert mit ihren schönen wohlriechenden Blumen die Gärten der Insulaner im Südmeer, und wird vielleicht auch wegen ihrer Heilkräfte um die Hütten gepflanzt. Die Anpflanzung dieses Strauchs, und der Handel mit seiner Rinde, kann in Zukunft[212] Völker mit einander verbinden, die ohne ein solches Mittel noch lange getrennt geblieben wären.

Mit Erstaunen bemerkt man, daß die Völker Asiens, sie mögen wie die Chineser von Europa unabhängig geblieben, oder wie die in Bengalen, Java, den Molucken und Philippinen von unsern Kaufleuten unterjocht worden seyn, dennoch auf ihrer Stufe der Kultur stille stehen, sich mit den Europäern nicht vermischen, und ihre eignen Sitten, Sprachen und Gebräuche beybehalten. Das Alterthum ihrer Verfassungen, die starke Bevölkerung aller jener Asiatischen Länder, und die Gewinnsucht des fremden Kaufmannes, der alles, nur nicht seinen unmittelbaren Vortheil, vergißt, scheinen sich zu vereinigen, um jene Eigenthümlichkeit des Charakters zu erhalten; ja, das Klima wirkt sogar mit Macht auf den Eroberer zurück, der sich aus Trägheit und Behagen den Sitten der Besiegten genähert hat. In einem Lande hingegen, wo die Zahl der ursprünglichen Eingebohrnen unbedeutend ist; wo niemand dem neuen Ankömmlinge die Mühe erspart, den Acker zu bestellen; wo keine einheimische Manufaktur vorhanden ist, um ihn in Baumwolle oder Seide zu kleiden; wo folglich das Wachsthum und Gedeihen der neuen Pflanzstadt blos von ihren eigenen Kräften abhängen muß: da darf man wohl mit einiger Zuversicht auf die Fortdauer des Europäischen Geistes der Betriebsamkeit rechnen. Mit dem Anbau müssen also nach und nach Handwerke und Künste entstehen, welche sich durch den Handel ausbreiten und vervollkommen können; Industrie und Luxus müssen Hand in Hand miteinander gehen, und selbst die Wissenschaft kann nicht in gänzliche Vergessenheit gerathen. Wie müßte nicht ein Staat in der südlichen Halbkugel, dessen Einwohner so unternehmend, so thätig, so heftig angespornt durch die Menge ihrer Bedürfnisse und so sinnreich in Erfindung der Befriedigungsmittel wären, wie die Völker unseres Welttheils und der nordamerikanischen Freystaaten, die Verhältnisse aller nahen und fernen Nationen verändern? Neuholland, als Mittelpunkt des Handels betrachtet, scheint vortheilhaft gelegen zu seyn, um Indien mit Amerika zu verbinden, und gewissermassen die Oberherrschaft über die östlichen Inselmeere Asiens zu behaupten.[213]

Wenn die allgemeine Aufklärung, wenn das gemeinschaftliche Fortrücken unserer ganzen Gattung nach einem bestimmten Ziele der Vollkommenheit, wenn die Aussicht, einer höheren gesellschaftlichen Glückseligkeit, als die Welt noch kannte, theilhaftig zu werden, nicht etwa leere Träume einer kranken Einbildungskraft, oder ohnmächtige Schwärmereyen der Ungenügsamkeit am Gegenwärtigen, oder gar den Umarmungen manches verwegenen Ixions absichtlich entgegengeschickte Wolkengöttinnen sind; wie wichtig wäre nicht alsdenn Cooks Entdeckungsepoche, auch als der Zeitpunkt, wo eine neue zweckmäßige Entwicklung des Menschengeschlechts und seiner Kräfte den Anfang nehmen, und ein fester Punkt mehr gewonnen werden sollte, aus welchem die weiseren Europäer den alten asiatischen Eigensinn, und jene unbezwingbare Widersetzlichkeit des vollkommensten, üppigsten und an natürlichen Schätzen unerschöpflichsten Welttheils gegen alle Fortschritte der Aufklärung endlich bestürmen müßten?

Kühn ist der Gedanke immer, daß fünf bis sechshundert Millionen Menschen, die es sich nicht träumen lassen, wie ernstlich und liebreich die Philosophie ihrer Brüder schon die Mittel sie aufzuklären berechnet, von einem Zeitpunkte nicht mehr fern seyn sollen, wo in ihrem Denken, Thun und Lassen eine merkwürdige Revolution vorgehen wird, wo Lehren der Weisheit aus Europa, vielleicht auch aus Amerika und den Südländern, mit unwiderstehlicher Macht der Überredung sie auffordern werden, ihrer lange gewohnten Sklaverey, ihrer natürlichen Weichlichkeit und Indolenz, dem desultorischen Gange ihrer in Bildern spielenden Vernunft, kurz den angeerbten, klimatischen Irrthümern und Mängeln ihres Verstandes und Herzens zu entsagen, und dafür die Wahrheit zu erkennen und anzunehmen, welche den Europäischen oder aus Europa entsprungenen Selbstdenker glücklich macht! Nun ist es zwar unläugbar, daß die gänzliche Bevölkerung der Erde und insbesondere die Entstehung großer wirksamer Staaten in einer bis jezt so gut als unbewohnten Weltgegend, merkwürdige Folgen und wichtige Veränderungen im System des allgemeinen Zusammenhanges nach sich ziehen müsse; und wer mag der prophetischen Begeisterung, oder jener ihr nacheifernden Kunst, im magischen Kreise der Dialektik die[214] Zukunft zu enträthseln, das Vorrecht streitig machen, sogar die Art des Einflusses, den diese Revolution endlich auf die Menschengattung äußern wird, voraus zu verkündigen? allein für den kaltblütigen Forscher, der die Erfahrung befragt, ist es allerdings noch etwas befremdend, daß ihn die Begebenheiten der Vergangenheit zu diesen Vorherbestimmungen nicht zu berechtigen scheinen.

Man nehme das Alter der Erde und des Menschengeschlechts so hoch an, als man immer will, so ist doch die Geschichte nur gleichsam von gestern, und steigt nicht über dreytausend Jahre zurück. In diesem Zeitraum aber sind die Sitten, die Lebensart, die Regierungsform, der Charakter und die Religionsbegriffe der Chineser und Indier im wesentlichen unverändert geblieben, so oft auch die benachbarten Mongolischen Horden diese unkriegerischen Völker bezwungen haben. In wiefern sind also die Begriffe, die wir von unserem rastlosen Geiste, von unserer auf Freyheitssinn und Griechenlands Philosophie gepfropften Aufklärung abgezogen haben, anwendbar auf jene uralten despotisch-patriarchalischen Verfassungen Asiens, wo man sich an ererbten Künsten und Wissenschaften genügen läßt, nichts neues erfindet, und nichts fremdes lernen will? – In unserm unbeständigen Klima giebt es kluge Männer und Frauen, die nach meteorologischen Wahrnehmungen jedem Tage des zukünftigen Jahres seinen Antheil Regen, oder Sonnenschein, Frost, Hitze, Sturm, Gewitter und Windstille zumessen. In jenen Gegenden, wo das Barometer weder steigt noch fällt, wo die Winde und Jahreszeiten einer unabänderlichen Regel unterworfen sind, kann man die Wetterpropheten entbehren. Doch zugestanden, daß sich ein meteorologischer Cyklus für unsern Norden ausrechnen ließe, würde man daraus folgern können, daß dereinst die Zeit eines immerwährenden Sonnenscheins kommen müsse? So bündig ist gleichwohl der Schluß von den politischen Erscheinungen eines Augenblicks und eines Winkels der Erde, die vielleicht auch ihren Cyklus haben, auf eine zukünftige allgemeine Übereinkunft des Menschengeschlechts, welches dann in einem Meere von ununterbrochener Glückseligkeit nichts weiter zu thun haben würde, als – unaufhörlich zu genießen, und endlich, über Wahrheit einverstanden, die Denkkraft[215] feyern zu lassen. Mich dünkt, wir müßten in dieser Sache nur analogisch schließen. Alle Wesen der Natur sind vergänglich, wenn gleich von verschiedener Dauer. Eine Stunde beschließt das ganze Daseyn eines Schimmels; Zoroasters Cypresse in Kaschmer war vierzehnhundert Jahre alt, als der Kalife Motawakel sie abhauen ließ. Am vergänglichsten ist die Krone der Schönheit, die Blume und ihr Duft. Wir genießen diese, und freuen uns ihrer, so lange sie währt, und pflegen sie, um ihrer froh zu werden. Können wir nicht auch die Blume der Aufklärung pflegen, sie genießen und uns freuen?

Was Cook zur Masse unserer Erkenntnisse hinzugefügt hat, ist jedoch von der Beschaffenheit, daß es tiefe Wurzeln schlagen und lange den entscheidendsten Einfluß auf die Thätigkeit der Menschen haben wird. Künstliche, vervielfältigte, complicirte Bedürfnisse, wie die unsrigen, und Leidenschaften die sich darauf beziehen, sind vielleicht unmäßig in ihren Forderungen; allein sie geben den menschlichen Kräften zugleich einen Schwung, wodurch sie oft unglaubliche Dinge verrichten. Nur das gegenwärtige Jahrhundert konnte Cooks brennende Ehrbegierde mit allen Hülfsmitteln ausrüsten, wodurch er zum Entdecker ward; und nur Cook konnte diesem Zeitalter Genüge leisten. Verschiedene Europäische Staaten haben so rasche Fortschritte zur Vervollkommnung gethan daß sie auch dem blödesten Auge nicht mehr entgehen können. Selbst ihre trägeren oder mehr bedrückten Nachbaren fangen an einzusehen, wie weit sie zurückgeblieben sind, und welche Vortheile sie entbehren müssen. Auch in Despotien fühlt man endlich die große Wahrheit, daß die Sklaverey die Menschen entadelt und entnervt; man nimmt ihnen daher die schwersten Fesseln ab, und lockt auf diese Art die Industrie hervor. Vor der Morgenröthe der Wissenschaften verschwindet die menschliche Unfehlbarkeit. Duldung und Gewissensfreyheit verkündigen den Sieg der Vernunft, und bahnen den Weg zur Preßfreyheit und zur freyen Untersuchung aller Verhältnisse, die dem Menschen unter dem Namen Wahrheit wichtig sind. Endlich geben Luxus und Fleiß dem Leben einen neuen Werth; die Künste erreichen den Gipfel der Vollkommenheit und Einfalt; Beobachtung und Erfahrung erweitern und verbinden alle Wissenschaften miteinander;[216] alle politischen Kräfte neigen sich ins Gleichgewicht; kurz, es ist oder es wird schon Blüthezeit. Die allgemeine Betriebsamkeit bemächtigt sich schnell jeder kleinen Entdeckung, jeder einzelnen Erfahrung, um sie auf das praktische Leben anzuwenden; wie wird nicht erst die Masse der Erkenntniß, die Cook errungen hat, ihre Hände füllen und alle ihre Triebwerke bewegen? Die vollendete Erdkunde; die mit der Astronomie verbundene Nautik; die Ausdehnung des Brittischen Handels bis an die neuentdeckte Westküste von Nordamerika; die Gründung einer Kolonie in Neuholland; die Bereicherung der Naturgeschichte; die genauere Kenntniß so mancher Menschenstämme in ihrer eigenthümlichen Verschiedenheit, und die daraus erfolgende nähere Entwickelung des allgemeinen Begriffs von unserer Gattung, ihrer gemeinschaftlichen Triebe, ihrer ähnlichen, auf Einer Vorstellungsart gegründeten Vorurtheile und Irrthümer, ihrer Wildheit, Barbarey oder Kultur, ihrer klimatischen Lebensart und Organisation; endlich auch die Wichtigkeit der Entdeckungsepoche für manche jener Völkerschaften selbst, deren Wissen und Genuß dadurch einigen Zuwachs erhalten mußte; – wie innig und vielfältig verwebt nicht dies alles den Namen und das Verdienst des großen Entdeckers in die künftigen Beschäftigungen vieler Völker und Generationen! Der Gränzpunkt der fortschreitenden Aufklärung liegt außer unserm Gesichtskreise; selbst wenn ihre Blüthe längst verwelkt, ihre Frucht abgefallen und zerstreuet seyn wird, sprossen ihre Saamen in einem andern Boden wieder hervor. Wie ließe es sich also bestimmen, wo der Einfluß, den Cook auf sein Zeitalter und auf die Nachwelt haben muß, sich in den Strom der Jahrhunderte gänzlich verlieren wird?

Bisher betrachteten wir nur die auffallenderen Folgen seiner Entdeckungen; allein sie wirken auch unvermerkt im Stillen, und vielleicht mit desto größerem Nachdruck, auf den Verstand und das Herz. Es ist ein wichtiges Geschäft, in Stunden der Erholung, durch eine Reihe neuer Bilder die angestrengten Geisteskräfte zu erquicken, den Eindruck überstandener Mühseligkeiten zu verwischen, Kraft und Muth zu neuer Anstrengung zu geben, und das Gedächtniß mit nützlichen Lehren und Kenntnissen zu bereichern. Unter allen Merkmalen[217] eines aufgeklärten Jahrhunderts ist vielleicht keines untrüglicher, als eben dieses lebhafte Bedürfniß der Lektüre, welches sich bis auf die untern Volksklassen erstreckt. Nur ist es zu bedauern, daß ein so reger Trieb von denen, die sich zu Schriftstellern berufen glauben, selten gewissenhaft befriedigt wird, indem die reifliche Erwägung der großen Pflicht, welcher sie sich unterziehen, gerade dasjenige ist, was sie am wenigsten zu kümmern scheint. Wenn indeß unter den jährlichen Hekatomben, welche nur durch ihre Anzahl einen Werth erhalten, der Wohlgeruch eines reineren, der Weisheit würdigen Opfers auf dem Altar der Göttin duftet, so wird sie mit den Sterblichen versöhnt, und läßt sich vom hohen Sternensitz in ihre nideren Hütten herab. Wenn ein Buch, das durch merkwürdige wissenschaftliche Resultate, lebhafte Schilderungen von Gegenständen, die den Menschen nahe angehen, und Darstellung großer gefahrvoller Thaten oder ungewöhnlicher wirklichen Begebenheiten die Wißbegierde, das Nachdenken, die Einbildungskraft, die Empfindungen und Leidenschaften der Leser nach einander anregt – zugleich dem Verstande eine Menge neuer Begriffe, Erkenntnisse, Urtheile und Grundsätze einprägt, welche, da sie unmittelbar aus Erfahrung fließen, durch ihre praktische Beziehung auf das Leben, einen tiefen und bleibenden Eindruck machen: so kann es zur Bildung jedes einzelnen Lesers im erhabensten Sinne, nämlich zur zweckmäßigen Entwicklung seiner edelsten Anlagen, sehr wesentlich, und oft mit glücklicherem Erfolge beytragen, als manche Lehren, die auf das Wort des Meisters für apodiktisch gelten, und denen sein Beyspiel widerspricht. Das Gepräge des gemeinnützigen Fleißes, des beobachtenden Scharfblicks der männlichen Vernunft, der Unbefangenheit und Einfalt, zeichnet Cooks Schriften, so wie seine Thaten, aus. Der Mann, dem überall Mittel zur Ausführung seiner Endzwecke zu Gebote standen, wußte auch Worte zu finden, wenn er tief empfundene Verhältnisse, sorgfältig durchspähete Naturgestalten und mit unnachahmlicher Kunst und großer Kühnheit vollbrachte Arbeiten, ohne Anmaßung, aber voll Ernst und Nachdruck erzählen wollte. Weder fremde Anleitung, noch vertraute Bekanntschaft mit großen Mustern, sondern der innere Drang, wodurch er auch Entdecker ward, bildete sei[218] nen ungeschmückten, aber reinen, deutlichen Styl. Ohne Anhänglichkeit an Systeme die er nicht kannte, an Vorurtheile die er belächelte oder verabscheute, blieb sein fester Punkt getreue Darstellung dessen, was er gesehen und erfahren hatte. Fassen wir den Inhalt seiner Reisegeschichte zusammen, so zeigt sie, was der Mensch auf verschiedenen Stufen der Bildung ist; was über die ganze Oberfläche des Erdbodens die wesentlichen Bedingungen eines glücklichen, nach seinen verschiedenen Bedürfnissen modificirten Zustandes sind; was die Natur ihm dazu darbietet, und was er aus den verborgenen Tiefen seines eigenen Wesens schöpfen muß; endlich, was der gesittete, vernünftige Mensch Großes vermag, wenn er den ganzen Reichthum seiner Organisations- und Verstandeskräfte aufbietet, und seinen Genuß in ihre unbegränzte Thätigkeit setzt. Aus dieser reichen Quelle schöpften bereits weise, gelehrte, erfahrene Männer Belehrung und Nahrung für ihren gebildeten Geist; und noch ergiebiger strömt sie für die aufblühende Jugend mit ihrer Wärme des Gefühls und ihrer beflügelten Phantasie. Deutscher Jüngling! auch Du lasest Cooks unvergeßliche, thatenvolle Entdeckungsgeschichte. Sprich! wurdest Du nicht belehrt, aufgeklärt, zum Nachdenken erweckt; jezt unwillkührlich durch Züge von erhabener Größe erschüttert; dann zu sanftem Mitleid, zur Tugend- und Menschenliebe hingerissen, oder zum edlen Selbstgefühl und zum Streben nach nützlicher Betriebsamkeit entflammt; und von Dank und Bewundrung für den Entdecker durchdrungen?

Gerecht ist dieses Opfer der Bewundrung, welches jedes gefühlvolle Herz dem verewigten Seemanne darbringt; gerecht, und seinem Andenken desto heiliger, da es der Lohn ist, um welchen er gerungen hat. Zwar seiner kalten Asche frommt unser Lob nicht mehr; und der Geist des Helden, wie der Engel des Dichters,


wird nicht herrlicher

Durch eur Entzücken; wird nicht mächtiger

Durch eur Vertrauen!


Die Welt könnte seine Wohlthaten genießen, und, wie sie so oft gethan, des Gebers vergessen. Allein der Nachruhm ist das eigentliche Erbe der wenigen Edlen. Oft zündete die Ehre, die man dem Andenken eines großen Mannes weihte, den Funken[219] des Genius in einem andern Busen an. Mit einem Eifer, der alle Hindernisse besiegt, kämpfte er dann um diesen Preis, der ihn so groß, so rein und göttlich dünkt; und wenn er am Ende seiner Laufhahn einen Blick in das Vergangene wirft, verläßt er diesen geschäftigen Schauplatz zufrieden, froh und mit dem festen Vertrauen, daß sein Beyspiel und der Ruhm seines Namens die wohlthätige Flamme fortpflanzen werde, so wie er sie zuerst empfing. So wird der Nachruhm gleichsam eine Schuld, welche die Nachwelt tilgen muß; und ein Zeitalter, welches bey den Verdiensten eines großen Mannes schweigt, verdient die Strafe, daß es keinen ihm ähnlichen Mann aus seiner Mitte hervorbringen kann.

Was der Mensch mit auf die Welt bringt, ist die innere Energie seines Wesens, und ihre verschiedenen Grade der Empfänglichkeit. Wie der Bildungstrieb des Körpers in verschiedenen Menschen nicht von gleicher Stärke ist, und bald Paragonen, bald Lappen und Samojeden, auch in einerley Klima Riesen und Zwerge hervorbringt, bald früh, bald spät, gleichförmig oder anfallsweise sich entwickelt; eben so ist die eigenthümliche Thätigkeit des Willens und der Denkkraft, und die Beweglichkeit der Phantasie und des Gefühls an innerer Stärke verschieden. Es herrscht aber auch eine unbegreifliche Harmonie zwischen den Gegenständen der Vorstellung, und der Fähigkeit ihre Eindrücke anzunehmen. Gewisse Menschen werden durch besondere Klassen von Vorstellungen kräftig erschüttert, die auf andere keinen Eindruck zu machen scheinen. So tönen gespannte Saiten von selbst harmonisch, doch nicht eher, als bis der gleichgestimmte Klang sie durchzittert. Ein Weiser sagt irgendwo sehr schön und richtig: »es hängt nur von uns ab, das Verhältniß unserer Geisteskräfte unter einander zu prüfen und sie ins Gleichgewicht zu bringen; ihr intensiver Reichthum aber ist die unbedingte Gabe der Götter.« Diese Ungleichheit des innern Kraftmaaßes wird offenbar, so bald man das Menschengeschlecht nur etwas genauer betrachtet; allein die auffallenden Beyspiele von auszeichnender Größe sind in allen Ständen selten, obgleich an keinen ausschließungsweise gebunden. »Selbst die meisten Fürsten,« sagt ein großer freymüthiger Geschichtschreiber, »zöge man ihnen den Purpur aus, und[220] würfe sie nackt in die Welt, würden unverzüglich in die unterste Klasse der Gesellschaft zu Boden sinken, ohne Hofnung sich wieder empor zu schwingen.« Dagegen hatte die Natur unsern Entdecker in der geringen Hütte des Bauers mit einem vollen Maaße von Kräften gerüstet. Die Grundkraft seines Wesens lag in einem siegreichen Bestreben, zur Wirksamkeit und That auszuströmen; sie schlummerte nie, sie bedurfte nicht erst der Anregung der Sinne, und sinnlicher Genuß leistete ihr kein Genüge. Cooks Enthaltsamkeit war auf diese Art eine angebohrne Tugend, nicht die Folge eines hartnäckigen Kampfes. Seine Begierde konnte nur durch Erkenntnisse gesättigt werden, und sie mögen ihm nun Zweck oder Mittel, oder wechselsweise beydes gewesen seyn: so erzeugte dieses Bedürfniß, oder dieser Genuß, jenen nie ermüdenden Fleiß, jenes so bewunderte Ausdauren und Beharren, wodurch er so große Thaten vollbrachte, und gegen Arbeit, Schwierigkeit, Gefahren und Widerwärtigkeiten unüberwindlich blieb. Eine Einbildungskraft, welche die Verhältnisse der Dinge schnell und deutlich auffaßte und bemerkte; ein Beurtheilungsvermögen, welches richtig erkannte und unbestechlich entschied; eine Reizbarkeit des Gefühls, deren Übermaaß zuweilen leidenschaftliche Ausbrüche veranlaßte, aber noch öfter unter der Herrschaft der Vernunft sich zur Gerechtigkeit, Güte und Menschlichkeit neigte; – Anlagen, welche den Adel der Seele beweisen, sollten sich einst in Cook, dem Sohn eines Pächters, zu großen Zwecken entwickeln. Seine Geburt und die Dürftigkeit seiner Umstände begünstigten indeß keineswegs seine Ausbildung. Eine frühzeitige Neigung für das Seeleben entschied sein Schicksal. Sein thätiger Geist, stark in Entschlüssen, kühn und schnell in der Ausführung, zerriß die Fesseln, die man ihm angelegt hatte, und begab sich freywillig unter die Zucht eines Kohlenschiffers. Hier erlitt er funfzehn Jahre lang, als gemeiner Matrose und als Steuermann eines Kauffahrers, alles Ungemach und alle Mühseeligkeiten des harten Dienstes, den er in der Folge seinen Untergebenen zu erleichtern suchte; hier ward er mit den Schwierigkeiten und Gefahren der Schiffahrt vertraut; hier stählte sich sein Herz gegen den grausenvollen Anblick des nahen, kaum noch vermeidlichen Todes; hier legte er auch den Grund zu jener vollkommenen[221] Geschicklichkeit im praktischen Theile seiner Kunst, zu der genauen und vollständigen Kenntniß des Schiffs und der Ausrüstung desselben, der Pflichten des Matrosen und der in ihm erforderlichen Fertigkeiten und Talente, wodurch er sich hernach vor unzähligen Befehlshabern so vortheilhaft auszeichnete. Nichts giebt uns einen anschaulichern Begriff von der Festigkeit seines Charakters, als diese lange Prüfungszeit, wo er im eigentlichsten Verstande mit seinem Schicksal kämpfte, und dennoch den Sieg davon trug. Hätten wir die Geschichte jener funfzehn schrecklichen Jahre seiner Jugend, wie lehrreich für den Menschenkenner würde sie seyn, welchen Aufschluß würde sie über den ruhigen Muth und den Reichthum der Seele dieses großen Mannes geben, der mitten im rohen Schwarm gemeiner Seeleute, – deren Sitten oft Abscheu und Ekel erregen, deren Hang zur gröbsten Sinnlichkeit in Laster ausartet, deren Leichtsinn zuweilen Verbrechen gebiert, selten eines großen Gedankens, nie eines festen Entschlusses fähig ist, – unerkannt und ohne andere Aufmunterung oder Belohnung als seinen eignen Beyfall, seinen Grundsätzen getreu bleiben konnte und seinem Ziel, so fern es auch seyn mochte, unermüdet entgegen arbeitete, ohne vom Beyspiel angesteckt zu werden, oder bey drückenden Umständen und fehlgeschlagenen Hofnungen die Hände und das Haupt sinken zu lassen! Fast scheint es auch, als wenn Cook sein großes Maaß von Kräften damals hauptsächlich vertheidigungsweise gebraucht haben müsse; denn die eingeschränkte, niedrige Sphäre, wohin ihn sein Schicksal verbannt hatte, bot ihm nicht Stoff genug, sich zu beschäftigen, und in dem Grade, wie seine Fähigkeiten und Anlagen es gestatteten, sich Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. Die praktischen Erfahrungen, welche beynahe das einzige waren, womit er seinen Verstand hier bereichern konnte, gewannen indessen bey ihm, durch den Scharfsinn und die gesunde Beurtheilungskraft, womit er sie verdauete, eine neue Gestalt, und leiteten ihn bald zu dem wichtigen Resultate, welches Tausende in seiner Lage übersehen, daß mathematische und vorzüglich astronomische Kenntnisse zur Bildung des geschickten Seemannes unentbehrlich sind. Ehe noch Cook das erste Ziel seines Ehrgeizes erreichen und ein Fahrzeug als Schiffer besteigen konnte,[222] warf ihn sein Schicksal plötzlich auf die königliche Flotte. Hier bahnte ihm sein Verdienst zum erstenmal den Weg zur Ehre. Die Aussicht zu einer höheren Bestimmung zu gelangen, fachte seine Geisteskräfte zu neuer Anstrengung und neuen Arbeiten an. Wie vorhin zum Matrosen, so bildete er sich jezt zum Officier. Die Tiefen der Mathematik waren seinem Ernst ein leichtes und unterhaltendes Spiel; und er widmete sich ganz der Mechanik und Sternkunde, auf denen die Theorie der Schiffahrt beruhet. Wer es weiß, welche Ordnung und Klarheit der Begriffe das Studium der Mathematik über alle Klassen von Kenntnissen verbreitet, der wird sich vorstellen können, welch eine wichtige Veränderung mit unserm Seemanne jezt vorgehen mußte. Doch bey allem Reichthum seiner Geisteskräfte, bey der Vollständigkeit und Gründlichkeit seiner Kenntnisse, hätte Cook, ohne eine günstige Verkettung von Umständen, vielleicht nie den Gipfel erstiegen, wo die Welt den großen Mann in ihm erkannte. Das Glück, welches blindlings bald die Tugend, bald den Wahnwitz krönt, geht nur zu oft vor dem bescheidenen Verdienst vorüber, und kränkt dadurch nicht sowohl dieses, als vielmehr das ganze Menschengeschlecht. Oder trift dieser Vorwurf nicht die Begebenheiten einer Welt, wo ein ununterbrochener Zusammenhang von Ursach und Wirkung alles bestimmt? Wie dem Wortstreit auch sey; genug, Cook gehörte unter die wenigen begünstigten Ausnahmen, oder er war zum Entdecker der halben Erdkugel ausersehen. Das mühsame Geschäft, die Küsten von Neufundland aufzunehmen, war vier Jahre lang gleichsam die Vorübung zu seiner größeren Laufbahn. Er erlangte dabey eine von wenigen erreichte Fertigkeit und Genauigkeit sowohl im Ausmessen, als im astronomischen Beobachten. Schon dort übte er seine Wachsamkeit und Vorsicht, seine Unerschrockenheit und Gegenwart des Geistes im Augenblick der Gefahr, sein mildes, schonendes Betragen gegen ungesittete Völker; – Eigenschaften, welche hernach auf seinen Weltumschiffungen im Charakter des Entdeckers glänzten, und zur Vollkommenheit gediehen. Die unerwartete und ehrenvolle Aufforderung zu diesen Entdeckungsreisen gab endlich seinen Geisteskräften die höchste Spannung, und goß ein neues Feuer in alle seine Handlungen. Seine[223] Entwürfe waren groß, durchdacht, wohlgeordnet und von männlicher Kühnheit; sein Genie beseelte ihre Ausführung, und bürgte für den Erfolg. Die Ehre, das Ansehen, der Wohlstand seiner neuen Lage verengten sein Herz nicht, und änderten nichts in seinem Betragen; er blieb nach wie vor der Mann von einfachen Sitten, der zwischen seiner Pflicht und seinem Vergnügen keinen Unterschied kannte. Seine Empfänglichkeit für Begriffe und Gefühle war noch in voller Kraft, und schien vielmehr mit jeder Reise zu gewinnen; ja es finden sich, vorzüglich in der letzten, Spuren einer ungleich zarteren Empfindung, als man in dem abgehärteten Seemanne gesucht hätte. Dieser Zug, wenn sonst keiner, gäbe schon ein vollgültiges Zeugniß für seine große Seele, deren stets währendes Bestreben es war, sich immer vollkommner zu bilden: Kaum wird es jezt noch befremdend seyn, daß jener dunkle Trieb sich hervorzuthun, der allmählig in Ehrgeiz und Begierde nach Wohlstand übergieng, sich bey einer so reich organisirten Seele zuletzt in ein weit feineres und edleres Gefühl für den Nachruhm verwandelte. Dank sey es der Natur, daß es Wesen von so empfänglicher Organisation giebt, welche dieser zarte Antrieb, der zugleich die Menschen in Liebe vereinigt, zu großen Thaten wecken kann! Läßt sich auch die Eigenliebe geselliger und liebenswürdiger denken, als indem sie dahin strebt, sich selbst in andern lieben zu können?

Vollständiger, als er selbst es voraussehen konnte, hat Cook auch diesen letzten Endzweck erreicht. Ich denke mir ihn, in der Schwärmerey eines Augenblicks, als einen der wohlthätigen Helden des Alterthums, die auf Adlersschwingen zur Versammlung der seligen Götter emporgestiegen sind. Würfe er dann einen Blick vom Olymp auf diese Erde, so sähe er eben dieselbe philosophische Gesellschaft, die schon einmal seine Verdienste krönte, sein Andenken auf Münzen verewigen; er sähe die Zähre der Wehmuth fließen, so oft ein edler Mensch seinen zu frühen, von ganz Europa beklagten Verlust erfährt; er sähe sein eignes Werk, die Geschichte seiner Reisen, ein besseres Denkmal als Erz oder Marmor werden; – er sähe auch die Freundschaft Blumen auf sein Grab streuen!

Fußnoten

1 Im Götting. Magazin 1 Jahrg. 2 Stück, S. 234. stehen »einige Lebensumstände vom Capitain Jacob Cook, größtentheils aus schriftlichen Nachrichten einiger seiner Bekannten gezogen von G. C. Lichtenberg«. Neue, noch ungenutzte Materialien zu dieser Biographie giebt es nicht.


2 Ein Verzeichniß der Reisen um die Welt findet man in meiner Einleitung zu der von mir beschriebenen zweyten Cookischen Reise.


3 Man lese die Geschichte der Entdeckungen und Schiffahrten im Norden, von Joh. Reinhold Forster, Frankf. 1784. 8. S. 525 u. f. Ein Werk welches über diesen Gegenstand alles wissenswerthe enthält.


4 Monsun ist ein Wind, der in den Indischen Gewässern ein halbes Jahr hindurch beständig herrscht. Im folgenden halben Jahre wehet es aus dem entgegengesetzten Punkt. Ich kann nicht umhin, bey dieser Gelegenheit zu erinnern, daß Carteret, ob er gleich wenig entdeckte, doch unsägliches Elend in einem zu einer solchen Reise ganz untauglichen Schiffe ausgestanden und von Magellans Meerenge bis nach Macassar gegen sechs Monate unterwegs gewesen ist.


5 The Traps.


6 S. Neuholland und die Brittische Colonie in Botany-Bay.


7 Schon Middeltons Reise im Jahr 1741 hatte es sehr unwahrscheinlich gemacht, daß Hudsonsbay eine Durchfahrt enthalte, und Moor und Smith, die 1746 ihm folgten, bestätigten gleichsam seine Meynung. Indeß schickte doch die Hudsonsbay-Compagnie selbst, im Jahr 1761 den Capitain Christopher in der Schaluppe Churchill, aus, und gesellte ihm im folgenden Jahre noch Herrn Norton in einem Cutter, oder kleinen Fahrzeuge bey. Sie besuchten blos die Buchten, von denen man noch allenfalls etwas vermuthen konnte, weil sie nicht ganz erforscht worden waren. Zuerst die Chesterfieldsbucht (inlet), welche sich in einen See von frischem Wasser endigt, der ungefähr ein und zwanzig Seemeilen lang, und zwischen fünf und zehn Seemeilen breit ist, und gegen Westen hin ein Flüßchen aufnimmt, das etwas weiter landeinwärts, in drey Fällen übereinander, herabstürzt, jenseits welchen es auch für einen Kahn nicht tief genug ist. Dann auch Pistolbay, wo neuere Schriftsteller noch eine Durchfahrt vermutheten, die aber nur drey oder vier Englische Meilen landeinwärts geht. Die Reise des Herrn Hearne zu Fuß, ist ungleich merkwürdiger. Schon Dobbs sprach viel von einem Cop per-mine River, (Kupferbergwerksfluß), welcher sich, laut der Aussage der eingebohrnen Amerikaner, ins Meer ergießen sollte. Er hielt es für ausgemacht, daß dieses Meer nichts anders als die nordwestliche Durchfahrt seyn könne, und baute viel darauf. Im Jahr 1770 ließ endlich die Hudsonsbay-Compagnie untersuchen, was an der Sache wäre, und trug die Ausführung ihrem Gouverneur im Fort Prince of Wales auf, welches in 58° 50' N. Br. am Churchill-Flusse liegt. Die Wahl fiel auf einen jungen Mann, Namens Hearne, der damals in Diensten der Compagnie stand, ehedem aber Officier auf der Flotte gewesen war, und sowohl Breite als Länge beobachten, und Charten aufnehmen konnte. Am 7. December 1770 reisete er von dem obbenannten Posten ab, und hielt sich meistens immer nordwestwärts, bis er im Junius 1771 einen Ort erreichte, der Conge-catha-wha-Chaga (etwa Condschi-catha-wha-Tschaga auszusprechen?) heißt. Hier sagt er, hatte er zwey gute Beobachtungen, beydes vermittelst der Mittagshöhe und correspondirender Sonnenhöhen, wodurch er die Breite auf 68° 46' bestimmen konnte. Nach seiner Rechnung war er bereits 24° 2' in Länge nach Westen vom Churchill-Flusse gereiset. Am 2ten Junius verließ er diesen Ort, und reisete noch immer nordwärts, etwas westlich, bis er 13. den Copper-mine River fand, der aber nicht, wie man vermuthet hatte, schiffbar ist, sondern kaum ein Kanot tragen kann, und überall mit Wasserfällen, Sandbänken und Steinhaufen gleichsam abgedämmt ist. Ohnweit der Mündung dieses Flusses machten seine Begleiter, die Nordischen Indianer, einund zwanzig Esquimaux nieder, die sie in ihren Hütten überfallen hatten, um sie auszuplündern, und insbesondere, das Kupfer was sie bey sich hatten, mitzunehmen. Acht Englische Meilen weit vor sich erblickte er am 17ten um 5 Uhr Morgens die See gegen Norden, und der Fluß so seicht wie oben, floß über eine dürre Fläche, welche die Küste bildete. Es war Ebbe, die, nach dem Eise zu urtheilen, an dessen Rändern er Merkmale wahrnahm, etwa zwölf bis vierzehn Fuß fallen mochte. Die Fluth konnte nur eben die Mündung des Flusses erreichen, folglich war das Wasser in demselben nicht im mindesten gesalzen. Übrigens bewies die Menge von Wallfischknochen und Seehundsfellen bey den Gezelten der Esquimaux, so wie die Robben selbst, die in großer Anzahl auf dem Eise lagen, daß man hier wirklich am Meere sey. Das Meer hatte, so weit man mit Ferngläsern sehen konnte, viele Inseln und Untiefen, und das Eis war nur drey Viertel Englische Meilen vom Ufer und rund um die Inseln und Sandbänke aufgethaut. Es war 1 Uhr Morgens am 18ten Junius, als Herr Hearne mit diesen Beobachtungen fertig wurde, (man weiß, daß die Sonne in hohen Breiten um diese Jahrszeit, immer ziemlich lange über dem Horizonte steht.) Jezt kam ein Nebelwetter mit feinem Regen, und Herr Hearne trat die Rückreise an, ohne auf gutes Wetter zur Beobachtung der Breite zu warten, indem er sich auf die Beobachtungen in Conge catha-wha-Chaga, und die seitdem zurückgelegte Länge und Richtung des Weges verlassen konnte, und gewiß war, daß die Breite von 72° die seine Charte angiebt, nicht mehr als höchstens ein Drittel eines Grads unrichtig seyn könne. Nach dieser Charte, welche auch bey der zu Cooks letzter Reise entworfenen Generalcharte benutzt worden ist, wo man Hearnes Reiseroute nachsehen kann, liegt die Mündung des Coppermine-Flusses 25° der Länge westlich von dem Posten der Compagnie, von dem er zuerst abgereiset war, und wohin er erst am 30sten Junius 1772 zurückkam. Die Hudsonsbay-Compagnie hat ihn seitdem zum Gouverneur des Fort Prince of Wales ernannt, um ihm für die unsägliche Mühe und das Elend, welches er auf dieser neunzehn Monat langen Reise ausgestanden hat, eine Belohnung zu geben. Sein Tagebuch wünschte man gedruckt zu sehen, denn es enthält eine ungeschmückte Darstellung der Lebensart der dortigen Wilden, ihrer kümmerlichen Nahrung ihres außerordentlichen Elends, indem sie, ohne eine stete Wohnung zu haben, die öden Wüsteneyen durchirren, und auf den gefrorenen Seen jenes weitausgebreiteten Landes umherziehen, wo Herr Hearne gegen 1300 Englische Meilen, bis ans Meer, gegangen ist, und wo die Compagnie fünf hundert Englische Meilen landeinwärts, in 53° 0' 32 N Br. und 106° 27' 30 W L einen Handelsposten Namens Hudsons-Haus, unterhält Der Herausgeber von Cooks letzter Reise, Dr Douglas, der diese Nachricht mittheilt, hat uns aus Hearnes Tagebuch einen Zug aubewahrt, der zwar diese lange Anmerkung noch etwas verlängern wird, aber seiner Stelle wohl werth ist. »Auf dem Rückwege, am 11ten Januar 1772, giengen die Indianer auf die Jagd. Einige fanden die Spur eines Schneeschues, giengen ihr nach und kamen endlich in eine kleine Hütte, wo ein junges Weib einsam saß. Sie schleppten sie nach ihren Gezelten, und erfuhren von ihr, daß sie zu den westlichen Hunds-Rippen– (Dog-Ribb'd) Indianern gehörte, und im Sommer 1770 von den Arathapescau-Indianern gefangen genommen wäre. Im Sommer 1771, hätten sich die letztern dieser Gegend genähert, da sie denn von ihnen entlaufen wäre, in der Absicht nach ihrem Lande zurückzugehen. Weil dies aber so weit entlegen, und sie als Gefangene die ganze Strecke in Kähnen, über Flüsse und Seen, die sich verschiedentlich krümmten, gekommen wäre, so hätte sie den Weg vergessen, und vom Herbste an in dieser kleinen Hütte gewohnt. Nach der Zahl der Monden zu urtheilen, mußte sie im Julius von den Arathapescaus entkommen seyn, und hatte seit der Zeit keinen Menschen gesehen. Dem ungeachtet wußte sie sich sehr gut zu verköstigen, indem sie Kaninchen, Rebhühner und Eiechhörner in Schlingen fieng, und war sehr gesund und wohl beleibt. Von ächten Nordamerikanischen Indianerinnen habe ich nicht leicht eine schönere gesehen. Ihre Schlingen machte sie von zusammengedrehten Sehnen der Kaninchenbeine, und das Fell dieser Thiere diente ihr zu einem netten, warmen Winteranzug. Als sie entlief, hatte sie weiter nichts mitgenommen, als ein fünf Zoll langes Stück von einem eisernen Tonnenbande, zum Messer einen Stein, der ihr den Feuerstahl ersetzte, nebst andern harten Kieseln. Zunder, und was zum Feueranmachen gehört; imgleichen ein anderthalb Zoll langes Stück vom Widerhaken eines Pfeils, woraus sie sich einen Pfriem gemacht hatte. Se war noch nicht lange bey den Gezelten angekommen, so stellten etwa zehn Kerle ein Ringen an, um zu entscheiden, wessen Frau sie werden sollte. Sie erzählte auch, die Arathapescaus hätten sich in der Nacht ihrer Gefangennehmung, an ihre Gezelte geschlichen, und die sämmtlichen Einwohner bis auf sie und drey andere junge Weiber umgebracht. In demselben Zelte mit ihr befand sich ihr Vater, ihre Mutter und ihr Mann, die alle ums Leben kamen. Unentdeckt nahm sie in der Nacht, als Gefangene, ihr Kind von fünf Monden, in ein Bündel ihrer Kleidung gewickelt, mit sich. Allein bey Tagesanbruch kamen ihre Räuber mit ihr an den Ort, wo sie ihre Weiber zurückgelassen hatten, die sogleich über das Bündel herfielen, das Kind fanden, und es auf der Stelle erwürgten. So schauderhaft diese Scene selbst in der Erzählung war, so lachten doch meine Indianischen Begleiter nur darüber. Ihr Land, fuhr sie fort, sey so fern, daß sie vor ihrer Gefangennehmung kein Eisen gesehen hätte. Ihre Landsleute machen sich Beile und Meissel aus Hirsch-(Elends-)Geweihen und Messer aus Stein oder Knochen. Ihre Pfeile haben Spitzen von Schiefer, Knochen oder Horn, und zum Schnitzen in Holz brauchen sie Biberzähne. Oft hätten sie zwar gehört, daß die östlichen Völker bessere Werkzeuge (von den Engländern) erhielten; sie dürften sich aber nicht zu diesem Handel zudrängen, sondern müßten sich vielmehr, aus Furcht vor den Arathapescau-Indianern, die Winter und Sommer, Jahr aus Jahr ein schreckliche Niederlagen unter ihnen anrichten, immer weiter zurückziehen.« (Aus Herrn Hearnes Handschrift.) Es verdient hier kaum noch angemerkt zu werden, daß das Englische Admiralitätscollegium im Sommer 1776 den Lieutenant Pickersgill, und im folgenden Sommes den Lieutenant Young, mit dem kleinen Fahrzeuge, Lion, (der Löwe) in die Baffinsbay schickte, um gewissermaßen Cooks Entdeckungen zu unterstützen, oder ihm entgegen zu kommen. Allein keiner von beyden kam in die Baffinsbay, geschweige weiter.


8 Man sehe die geheimen Verhaltungsbefehle.


9 S. Barrington's Miscellanies, p. 508. Geschichte der Entd. und Schifffahrten im Norden. S. 521.


10 Ein Fahrzeug mit zwey Masten, im gegenwärtigen Falle von zwanzig bis dreyßig Tonnen.


11 Bey dieser Beschreibung nehme ich Rücksicht auf das Schiff, in welchem ich Cook auf seiner zweyten Reise begleitet habe, die Resolution. Es bedarf wohl keiner Erinnerung, daß ich geflissentlich so viel Kunstwörter als möglich vermieden habe, da diese Beschreibung nur für den Land- und Städtebewohner bestimmt ist.


12 Wenn man sich den Horizont in 32 gleichen Theilen denkt, so kann ein Schiff, welches gut am Winde liegt, vermöge einer schrägen Stellung der Segel, in einer Richtung fortgehen, die nur um sechs solcher Theile von der Gegend, woher der Wind kommt, entfernt ist; doch verliert es unvermerkt einen, ja mannichmal wohl zwey solcher Theile, und geht also im Grunde nur 7/32 oder 8/32 vom Winde fort. Wenn man nun eine Strecke so fortgesegelt ist, so kann man ebenfalls von der andern Seite des Punkts, woher der Wind kommt, demselben bis auf 6/32 nahe kommen, und indem man wechselsweise auf diesen Annäherungslinien fortgeht, sich auch einem Orte, der gerade gegen den Wind hinliegt, nähern. Diese Art der Annäherung heißt das Laviren.


3. Resultate

Z.B. Wenn A der Punkt ist, wohin man will, B der Ort des Schiffs, und AB die Richtung des Windes, so kann dennoch das Schiff von B nach A kommen, indem es nach c, d, e und f lavirt. In diesen Punkten muß es umlegen, das heißt, man läßt den Schiffschnabel gegen den Wind gehen, und wieder auf der andern Seite, so viel als nöthig ist, vom Winde abfallen, während daß die Segel anders gestellt werden, um den Wind von der andern Seite aufzufangen. Ein Schiff, welches sich nicht gut umlegen läßt, verliert wieder während des Umlegens, weil es von c bis g zurücktreibt, und kann also natürlich, anstatt nach d zu kommen, nur h erreichen. Stürme, Windstöße, Strömungen, Ebbe und Fluth, hohe Wogen, u. d. gl. machen Ausnahmen von der allgemeinen Regel.


13 Der Tag des Seefahrers fängt um Mittag an. Von den sieben Wachen deren jede ihren eigenen Namen führt, sind fünf vierstündige, und die beyden andern zweystündig. Wenn ich die drey Abtheilungen der Mannschaft mit A, B, C, bezeichne, wird man aus folgender Tabelle sehen können, wie oft die Wache an eine jede kommt:


A. 0 bis 4 Uhr N. M. – 4 St. Nachmittagswache

B. 4 bis 6 Uhr N. M. – 2 St. erste Hundewache

C. 6 bis 8 Uhr N. M. – 2 St. 2te Hundewache

A. 8 bis 12 Uhr N. M. – 4 St. Erste Nachtwache

B. 0 bis 4 Uhr Morgens – 4 St. Mittelwache

C. 4 bis 8 Uhr Morgens – 4 St. Morgenwache

A. 8 bis 12 Uhr Morgens – 4 St. Vormittagswache


Augenscheinlich fängt also B den nächsten Tag und C den dritten an; A hat also an beyden Tagen nur eine zweystündige und eine vierstündige Wache.


14 Ein Segel einreffen, heißt einen Theil desselben über die Raa oder Segelstange wickeln und festbinden, damit es kleiner werde. Während dieser Arbeit wird die Raa herabgelassen, und sobald eingerefft ist, zieht man sie wieder auf, und sie hängt alsdenn nicht so hoch als zuvor am Maste. Man kann ein Marssegel zwey auch dreymal reffen.


15 Dies wird nur in der Voraussetzung gesagt, daß das Schiff dauerhaft gebaut sey, und gut auf dem Wasser schwimme. Wo dieses nicht der Fall ist, kann es, indem es die Welle auf der Seite empfängt, ganz umgeworfen, oder wenn sie von hinten hineinschlägt, zerschmettert werden, und in beyden Fällen bleibt keine Rettung übrig.


16 Ein Stück Segeltuch, sechs bis sieben Fuß lang, vier bis fünf Fuß breit, an den kurzen Seiten mit weiten Schnürlöchern, durch die auf jeder Seite ein Tau gezogen wird, in welches ein Haken eingebunden ist, um sie damit an zwey Seiten in kleine, an den Verdecksbalken befindliche Löcher einzuhängen. Dieser Beutel ist das Bett des Seemannes, und schnürt sich um Kopf und Leib sehr enge zusammen, weshalb man ihn vermittelst eines kurzen Stocks, oder eines halbmondförmigen Holzes, oben und unten auseinander spannt. Die Officiere schlafen gemeiniglich in viereckigen leinenen Kasten, worin ein Rahm mit Gurten liegt, der aber wie jener Beutel aufgehängt wird. Jenes ist die gewöhnliche Hangmatte; dies heißt bey Engländern und Holländern Cot. S. Capt. Müllers vortrefliche Zusätze zu der Abhandlung von Schiffen im Hannov. Magazin.


17 Dies that Capitain Clerke, der damals Steuermann oder Lotsensgehülfe war. S. J. R. Forsters Geschichte der Entdeckungen und Schiffahrten im Norden. S. 467.


18 Hist. August. Script. p. 241.


19 Die Fabeln und Mythen hatten eine Moral, und die besten ließen die Thiere ihrem Charakter völlig gemäß auftreten. Die Ungeheuer der alten Dichter waren schöne allegorische Bilder. Der Naturmensch der neuern aber ist ein widersinniges Unding, welches in keine mögliche Welt paßt, außer etwa in die, wo Löwen Gras fressen, Tiger Lämmer säugen, und Adler die jungen Täubchen füttern, das ist, in eine Welt des Widerspruchs, wo alles aufhört zu seyn, was es ist.


20 Anumant heißt in Indien der Affe, dem ein ganzer Trupp gehorcht, und dessen Herrschaft sehr despotisch ist. Der Seelöwe hat ein Serail von Weibchen, denen kein anderer zu nahe kommen darf.


21 Die Schaumünze, welche er auf der zweyten Reise austheilte, hatte auf einer Seite das Brustbild des Königs Georg des dritten von England, und auf der andern die Abbildung der beyden Schiffe Resolution und Adventure, mit der Jahrzahl ihrer Abreise von England. Sie war von Bronze und vergoldet.


22 Ich erzähle sie hier nicht, da sie in der letzten Reise des berühmten Seemannes ausführlich vorkommt.


23 Viele der obenangeführten Resultate, nebst den Gründen auf denen sie beruhen, lieset man in meines Vaters, während seiner Reise um die Welt gesammelten, Bemerkungen (welche ich auch dem Englischen übersetzt habe, Berlin bey Haude und Spener, 8. 1783.) Hieher gehören auch meine Aufsätze de plantis esculentis insularum oceani australis. Berol. 8. 1786. und der in dieser Sammlung, über Neuholland nebst einem Aufsatz über die Menschenracen im T. Merkur, Oct. und Nov. 1786. Außerdem bleibt die Sammlung der neuen Seereisen die gemeinschaftliche Quelle jener Beobachtungen.


24 Sir Godfrey Copley, ehemaliger Präsident der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu London, hat derselben einen Fond hinterlassen, aus welchem jährlich eine so Pfund Sterling schwere goldene Schaumünze geschlagen werden kann, welche demjenigen Mitgliede zu Theil wird, dem man die wichtigste Erfindung verdankt. Die Schaumünze bekam Cook.


25 Der Bienenmeister, oder Honigkukuk (cuculus indicatot) in Afrika, zeigt sowohl den Menschen als einer Art von Stinkthieren, die Stöcke der wilden Bienen an. Die Hottentotten folgen seinem Wink, graben den Honig aus, und überlassen ihm gerade so viel, als ihn lüstern macht, ihnen einen andern Stock anzuzeigen, welches er dadurch thut, daß er vor ihnen herfliegt, und dann, über dem Neste in der Luft schwebend, schreyt. Man sehe Sparrman in den Phil. Transact. T. LXVII.


26 S. Bonnet confidérations sur les corps organisés, 1, § 132.


Quelle:
Georg Forster: Werke in vier Bänden. Band 2, Leipzig [1971].
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